Kontrolle durch die Matrix: RUB-Forscher entschlüsseln Rolle von Proteinen der Zellumgebung

Unter geeigneten Bedingungen verwandeln sich Vorläuferzellen im Nervensystem (rot) in andere Zelltypen, z.B. Astrozyten (grün). Zu sehen ist eine fluoreszenzmikroskopische Aufnahme einer Vorläuferzellkultur, in der alle Zellkerne blau gefärbt sind. Dr. Michael Karus<br>

Wie Astrozyten, bestimmte Zellen des Nervensystems, entstehen, ist bislang weitgehend unbekannt. Bochumer Forscher haben nun untersucht, welchen Einfluss die Zellumgebung, Extrazelluläre Matrix genannt, auf diesen Prozess hat. Sie fanden heraus, dass das Matrix-Protein Tenascin C vorhanden sein muss, damit sich Astrozyten im Rückenmark von Mäusen kontrolliert vermehren und verteilen. Gemeinsam mit Kollegen der RWTH Aachen berichten die Wissenschaftler vom RUB-Lehrstuhl für Zellmorphologie und Molekulare Neurobiologie über ihre Ergebnisse in der Zeitschrift Development.

Tenascin C reguliert Astrozyten-Entwicklung

Unreife Astrozyten stellen Tenascin C her und sondern es in die Extrazelluläre Matrix ab. Von dort steuert es die Entwicklung der Zellen. Um die Rolle des Proteins genauer zu charakterisieren, erforschte das Bochumer Team um Prof. Dr. Andreas Faissner, Prof. Dr. Stefan Wiese und Dr. Michael Karus Astrozyten, die genetisch so manipuliert waren, dass sie kein Tenascin C herstellten. Die Wissenschaftler beobachteten, dass sich die Astrozyten ohne das Protein länger teilten und später an ihren Bestimmungsort im Rückenmark wanderten. „Als Konsequenz der längeren Zellteilungsphase haben wir eine vermehrte Anzahl an reifen Astrozyten gefunden“, erklärt Karus.

Genaktivität verändert

Auch auf molekularer Ebene hinterließ die Tenascin C-Manipulation Spuren. Mit Kollegen der RWTH Aachen verglichen die Bochumer Forscher die Genaktivität im Rückenmark mit und ohne Tenascin C-Produktion. Die Abwesenheit des Proteins wirkte sich nicht nur auf Gene aus, die typisch für Astrozyten sind. Eine veränderte Aktivität stellten die Wissenschaftler auch bei Genen fest, die eine Rolle für bestimmte Wachstumsfaktoren spielen. Diese haben z. B. Einfluss auf das Überleben und die Teilungsaktivität verschiedener Zelltypen.

Ergebnisse auch für medizinischen Bereich interessant

Astrozyten übernehmen eine Vielzahl an Aufgaben im Nervensystem. Sie regulieren den Ionenhaushalt und die Konzentration von Botenstoffen, sind ein Bestandteil der Blut-Hirn-Schranke und beeinflussen die Aktivität der Nervenzellen. Bei Verletzungen des zentralen Nervensystems oder auch Hirntumoren bilden sich so genannte reaktive Astrozyten, die sich ähnlich wie unreife Astrozyten verhalten. „Bislang ist die Funktion von Tenascin C unter solchen pathologischen Bedingungen größtenteils unbekannt“, sagt Karus. „Wenn wir aber mehr über die Aufgabe von Tenascin C während der Entwicklung herausfinden, können wir wahrscheinlich auch besser verstehen, was es zum Beispiel bei Rückenmarksverletzungen bewirkt.“

Titelaufnahme

M. Karus, B. Denecke, C. ffrench-Constant, S. Wiese, A. Faissner (2011): The extracellular matrix molecule tenascin C modulates expression levels and territories of key patterning genes during spinal cord astrocyte specification, Development, doi: 10.1242/dev.067413

Weitere Informationen

Dr. Michael Karus, Lehrstuhl für Zellmorphologie und Molekulare Neurobiologie, Fakultät für Biologie und Biotechnologie der Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel.: 0234/32-24312

Michael.Karus@ruhr-uni-bochum.de

Angeklickt

Lehrstuhl für Zellmorphologie und Molekulare Neurobiologie
http://dbs-lin.ruhr-uni-bochum.de/cellmorphology/index.php?language=de&;
Redaktion
Dr. Julia Weiler

Media Contact

Dr. Josef König idw

Weitere Informationen:

http://www.ruhr-uni-bochum.de

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