Kommunikation zwischen braunem und weißem Fett könnte das Entstehen von Übergewicht beeinflussen

Ein Vorgang, der möglicherweise auch bei Menschen zur Regulation des Energiegleichgewichtes beiträgt und damit dem Entstehen von Übergewicht und Diabetes entgegen wirkt. Die jetzt in der Fachzeitschrift Nature* veröffentlichte Studie könnte daher neue Ansätze liefern, um Therapien gegen starkes Übergewicht zu entwickeln. Die Studie führte Schulz während seines Forschungsaufenthalts am Joslin Diabetes Center und der Harvard Medical School in Boston, USA in der Arbeitsgruppe von Yu-Hua Tseng durch.

Überschüssige Nahrungsenergie wird zum Großteil in weißem Fettgewebe gespeichert und führt so zu Übergewicht. Dabei stellt Adipositas (krankhaftes Übergewicht) einen zentralen Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes dar. Im Gegensatz zum weißen besitzt braunes Fettgewebe die Fähigkeit, Nahrungsenergie direkt in Körperwärme umzuwandeln und so in Form von Wärme abzugeben. Es könnte daher als wirksamer Adressat für Adipositas-Therapien dienen. Früher nahm man an, dass vor allem Säuglinge über braunes Fettgewebe verfügen, da sie aufgrund ihrer geringen Körpergröße stärker dazu neigen, auszukühlen. Wie jüngste Studien belegen, ist es jedoch auch noch bei Erwachsenen vorhanden. Stark übergewichtige Personen weisen hingegen keine oder nur geringe Mengen dieses stoffwechselaktiven Gewebes auf.

Neuere Untersuchungen zeigen zudem, dass es zwei unterschiedliche Arten von braunen Fettdepots gibt. Das klassische, in Fachkreisen auch als konstitutiv bezeichnete, braune Fettgewebe wird bereits in der frühen Embryonalphase angelegt und findet sich hauptsächlich zwischen den Schulterblättern. Das rekrutierbare braune Fettgewebe ist dagegen im weißen Fett und in der Muskulatur lokalisiert. Es entsteht bei Erwachsenen und nur nach Einwirkung von induktiven Signalen, an denen das zentrale Nervensystem und im Blutstrom zirkulierende Signalproteine beteiligt sind. Das genaue Zusammenspiel der Signalwege und die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen sind bislang nur zum Teil bekannt.

Wie die Forscher unter Führung von Yu-Hua Tseng nun erstmals mit Hilfe von Tiermodellen und Untersuchungen an isolierten Zellen zeigen, führt ein Mangel an klassischem braunen Fettgewebe zu einer verstärkten Stimulation der weißen Fettdepots durch das sympathische Nervensystem**. Dies wiederum regt im weißen Fettgewebe die Rekrutierung brauner Fettzellen an. Dieser bislang unbekannte, ausgleichende Mechanismus reicht aus, um das Temperaturgleichgewicht des Körpers zu stabilisieren. Zudem schützt er zumindest bei Mäusen vor den Stoffwechselstörungen, die ein Verlust des klassischen braunen Fettes mit sich bringt, wie zum Beispiel vor ernährungsbedingtem Übergewicht.

„Wir zeigen erstmalig, dass das braune Fettgewebe in der Lage ist, mit dem weißen Fettgewebe zu kommunizieren, um die Körpertemperatur zu regulieren. Interessant ist auch, dass die Kommunikation über Botenstoffe des sympathischen Nervensystems erfolgt und eine enge physiologische Beziehung zwischen beiden Typen des braunen Fettgewebes besteht“, erklärt Erstautor Tim Schulz. „Der neu entdeckte Kommunikations-Mechanismus spielt vermutlich auch für den Energiehaushalt des Körpers und damit für das Körpergewicht eine Rolle. Unsere Ergebnisse liefern somit eine gute Basis, um Ansätze für neuartige Therapien gegen krankhaftes Übergewicht und damit verbundene Stoffwechselerkrankungen zu entwickeln.“

*Tim J. Schulz, Ping Huang, Tian Lian Huang, Ruidan Xue, Lindsay E. McDougall, Kristy L. Townsend, Aaron M. Cypess, Yuji Mishina, Emanuela Gussoni, Yu-Hua Tseng: Brown Fat Paucity Due to Impaired BMP Signaling Induces Compensatory Browning of White Fat; Nature 2013, DOI.10.1038/nature11943

Hintergrundinformation:

Tim Schulz leitet seit September 2012 die DFG-geförderte Emmy Noether-Arbeitsgruppe ‚Fettzell-Entwicklung‘ am DIfE. Sein Forscherteam untersucht die entwicklungsbiologischen Mechanismen, welche die Bildung von braunen und weißen Fettzellen steuern. In diesem Zusammenhang wollen die Wissenschaftler auch die Mechanismen erforschen, die bei Menschen im Alter zu einer Abnahme des braunen Fettgewebes führen und auf diese Weise die Entstehung von Übergewicht begünstigen.

Das Fettgewebe spielt eine entscheidende Rolle bei der Regulation des Energiehaushalts des Körpers. Dabei muss man generell zwischen weißem und braunem Fettgewebe unterscheiden.

Das braune Fettgewebe trägt dazu bei, die Körpertemperatur aufrecht zu erhalten. Es verwendet Nahrungsenergie direkt für die Wärmeproduktion, so dass hier größere Mengen an Energie verbraucht werden. Somit übernimmt es eine zentrale Rolle für das Energiegleichgewicht des Körpers. Darüber hinaus reguliert es die Spiegel verschiedener Blutfette und könnte auf diese Weise direkt in die Entstehung kardiovaskulärer Erkrankungen eingreifen. Kürzlich konnte zudem am Mausmodell gezeigt werden, dass erhöhte Mengen braunen Fettgewebes effektiv die Insulinempfindlichkeit verbessern und so vor einer Glukoseintoleranz schützen.

Das weiße Fettgewebe dient als Energiereserve. Ein Mensch mit einer Fettreserve von 15 Kilogramm kann etwa 50 bis 60 Tage ohne Nahrung auskommen. Ähnlich wie ein „Airbag“ bietet es auch einen gewissen Schutz vor mechanischen Verletzungen und dient der Wärmedämmung, denn Fett ist ein schlechter Wärmeleiter. Nicht zuletzt ist es eine wichtige Quelle endokriner Botenstoffe und reguliert auf diese Weise wichtige Stoffwechselprozesse im Körper. Aufgrund von veränderten Lebensgewohnheiten in modernen Gesellschaften kommt es gehäuft zur übermäßigen Ansammlung von weißem Fettgewebe, und damit zur Störung der empfindlichen Energiebalance, die wiederum zur Entstehung einer Vielzahl von Stoffwechselkrankheiten beiträgt.

**Das sympathische Nervensystem aktiviert unter Stress alle Notfallfunktionen des Organismus, um ihn in eine erhöhte Handlungs- und Leistungsbereitschaft zu versetzen. Puls, Blutdruck und Blutzuckerspiegel steigen an, so dass Muskeln und Gehirn ausreichend mit Energie versorgt sind. Der Aufmerksamkeitslevel steigt.

Das DIfE ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen ernährungsbedingter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention, Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Forschungsschwerpunkte sind dabei Adipositas (Fettsucht), Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Das DIfE ist zudem ein Partner des 2009 vom BMBF geförderten Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (http://www.dzd-ev.de).

Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 86 selbständige Forschungseinrichtungen. Deren Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute bearbeiten gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevante Fragestellungen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Grundlagenforschung. Sie unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer in Richtung Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Institute pflegen intensive Kooperationen mit den Hochschulen, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem maßstabsetzenden transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 16.500 Personen, darunter 7.700 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 1,4 Milliarden Euro. Näheres unter http://www.leibniz-gemeinschaft.de.

Kontakt:

Dr. Tim Julius Schulz
Deutsches Institut für Ernährungsforschung
Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Arbeitsgruppe Fettzell-Entwicklung
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
14558 Nuthetal
Tel: +49(0)33200 88 2110
E-Mail: tim.schulz@dife.de
Dr. Gisela Olias
Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Institut für Ernährungsforschung
Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
14558 Nuthetal
Tel.: +49(0)33 200-88 2278/2335
Fax: +49(0)33 200-88 2503
E-Mail: olias@dife.de

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