Kleine RNA macht Bakterien resistenter gegen Antibiotika

Jessica Borgmann und Franz Narberhaus züchteten das Bodenbakterium Agrobacterium tumefaciens im Labor – in Pflanzentumoren auf Kartoffelscheiben. © RUB, Marquard (Dieses Foto darf nur für eine Berichterstattung mit Bezug zur Ruhr-Universität Bochum im Kontext dieser Presseinformation verwendet werden.)

„Bodenbakterien, die resistent gegen Antibiotika sind, haben einen Vorteil gegenüber konkurrierenden Mikroorganismen, die solche Antibiotika ausscheiden“, erklärt Prof. Dr. Franz Narberhaus, Leiter des Lehrstuhls Biologie der Mikroorganismen.

Agrobacterium tumefaciens, ein Bodenbakterium, das Pflanzentumore auslöst, ist bekannt dafür, besonders tolerant gegenüber Beta-Laktam-Antibiotika, also Penicillinen zu sein. Den Mechanismus hinter dieser Resistenz klärten die Forscherinnen und Forscher nun auf. Sie interessierten sich für ein kleines RNA-Molekül, das verschiedene Prozesse in Agrobacterium reguliert.

Weniger tolerant ohne kleine RNA

Zusammen mit der Bochumer Arbeitsgruppe für Angewandte Mikrobiologie von Prof. Dr. Julia Bandow untersuchte das Team um Borgmann, wie sich die Proteinmuster in der Zelle ändern, wenn die kleine RNA fehlt.

Das Ergebnis: Die Bakterien produzierten deutlich weniger von dem Enzym, das Penicilline abbaut. Die Forscher testeten auch, was passierte, wenn sie Ampicillin zu der Bakterienkultur hinzugaben. Der Stamm ohne die kleine RNA reagierte hundertmal empfindlicher auf das Antibiotikum als der natürliche Stamm.

„Die kleine RNA scheint also die Erklärung zu sein, warum der natürliche Stamm so tolerant gegenüber manchen Antibiotika ist“, sagt Jessica Borgmann. „Wir gehen davon aus, dass die Hauptfunktion dieses Moleküls ist, den Bakterien in der Konkurrenz mit anderen Mikroorganismen einen Vorteil zu verschaffen.“

Eingriff in verschiedene Stoffwechselwege

Weitere Analysen der Bochumer Forscher ergaben, dass die kleine RNA Einfluss auf viele Prozesse hat, etwa die Biosynthese der Zellwand. Fehlte den Bakterien das Molekül, bildeten sie allerdings mehr Pflanzentumore als der natürliche Stamm. In der Natur, so vermuten die Forscher, findet eine Abwägung statt, wofür die zellulären Ressourcen eingesetzt werden – eine höhere Antibiotikaresistenz oder eine höhere Virulenz beim Bilden der Tumore.

„Die Ergebnisse deuten auf ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Stoffwechselwege hin“, resümiert Franz Narberhaus. „In der Natur kommt es offensichtlich darauf an, dass mehrere Wege aufeinander abgestimmt werden, um die Fitness unter wechselnden Bedingungen zu gewährleisten.“

Kleine RNAs als effiziente Regulatoren

Kurze RNA-Moleküle sind sehr effizient darin, zelluläre Prozess bei Bedarf an- oder abzuschalten. Ihre Synthese ist deutlich schneller und energiesparender für die Zelle als die Produktion von Protein-Regulatoren.

In weiteren Studien wollen die Bochumer Wissenschaftler den genauen Mechanismus ergründen, mit dem das RNA-Molekül die verschiedenen Prozesse beeinflusst. Sie wollen auch herausfinden, ob die Antibiotikaresistenz in anderen Bodenbakterien auf einem ähnlichen Prinzip beruht und ob diese Resistenz auf andere Arten von Bakterien übertragen werden kann.

Förderung

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte die Arbeiten im Rahmen des Grants mit der Nummer NA 240/11-1.

Prof. Dr. Franz Narberhaus
Lehrstuhl Biologie der Mikroorganismen
Fakultät für Biologie und Biotechnologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 32 23100
E-Mail: franz.narberhaus@rub.de

Jessica Borgmann, Sina Schäkermann, Julia Elisabeth Bandow, Franz Narberhaus: A small regulatory RNA controls cell wall biosynthesis and antibiotic resistance, in: mBio, 2018, DOI: 10.1128/mBio.02100-18

Media Contact

Dr. Julia Weiler idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

http://www.ruhr-uni-bochum.de/

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