Kiwi-Genom entschlüsselt

Der Braune Kiwi (Apteryx mantelli) ist wie alle Kiwi-Arten sind an ein Leben in Dunkelheit angepasst. Den Tag verbringen sie in einer Höhle, die sie erst mit Anbruch der Dunkelheit verlassen. Auf ihren nächtlichen Streifzügen orientieren sie sich an Gerüchen und Geräuschen - ein für Vögel ungewöhnliches Verhalten. © 123RF/Eric Isselee

Ungewöhnliche biologische Eigenschaften machen die flugunfähigen Kiwis zu einer einzigartigen Vogelgruppe. Wissenschaftler der Universität Leipzig und des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie haben den genetischen Code der vom Aussterben bedrohten Lebewesen sequenziert. Dabei konnten sie wertvolle Rückschlüsse auf die evolutionäre Entwicklung hin zu einem nachtaktiven Vogel mit fehlender Farbsichtigkeit aber ausgeprägtem Geruchssinn ziehen.

Kiwis sind für die Wissenschaft ausgesprochen interessant: Sie haben nur noch rudimentäre Flügel, keinen Schwanz und einen sehr langen Schnabel mit Nasenlöchern an der Spitze. Sie sind hauptsächlich nachtaktive Vögel, haben einen geringen metabolischen Grundumsatz und die geringste Körpertemperatur unter den Vögeln.

Bisher gab es allerdings nur wenig genetische Informationen über diese Spezies, die für ein besseres Verständnis ihrer Biologie notwendig wären. Eine internationale Gruppe unter Leitung von Torsten Schöneberg vom Institut für Biochemie der Medizinischen Fakultät und Janet Kelso vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie haben das Genom des Braunen Kiwi (Apteryx mantelli) sequenziert.

Die Analysen ergaben genetische Veränderungen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf seine Anpassung an das Nachtleben zurückzuführen sind. Beispielsweise sind bei ihm einige Gene für die Farbsichtigkeit inaktiv. Er besitzt eine hohe Diversität an Riechrezeptoren, sein Geruchssinn ist hoch entwickelt. Die Veränderungen in der Vogelspezies liegen ungefähr 35 Millionen Jahre zurück und lassen vermuten, dass sie nach der Besiedelung des Archipels durch den Kiwi stattfanden.

„Schon der französische Botaniker und Zoologe Jean-Baptiste de Lamarck postulierte im 18. Jahrhundert, dass die Evolution nach dem ‚use it or lose it-Prinzip‘“ funktioniert. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass die Kiwis die Farbsichtigkeit verloren haben, weil sie bei einer Nachtaktivität nicht mehr notwendig war“, sagt Erstautorin Diana Le Duc von der Universität Leipzig. „Dieser Theorie folgend, entwickelte sich der für die nächtliche Nahrungssuche notwendige Geruchssinn der Kiwis weiter, und das Repertoire der Geruchsrezeptoren adaptierte sich an eine breitere Vielfalt.“

Die Genomanalyse von zwei Kiwi-Individuen zeigte ersten Schätzungen zufolge jedoch auch eine geringe genetische Variabilität, was den Arterhalt weiter gefährden könnte und bei zukünftigen Zuchtprogrammen berücksichtigt werden muss. „Das Genom des Kiwis ist eine wichtige Informationsquelle für zukünftige, vergleichende Analysen mit anderen ausgestorbenen wie noch lebenden Laufvogelarten“, sagt Janet Kelso, Bioinformatikerin am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie.

Der Kiwi ist nicht nur das nationale Symbol Neuseelands, er kommt auch nur auf dem Archipel vor. Der Braune Kiwi ist eine von zwei flugunfähigen Vogelspezies auf der Nordinsel. Zu seiner Gruppe der sogenannten Ratiten zählen auch die ausgestorbenen Neuseeländischen Moa sowie flugunfähige Laufvögel wie Strauß, Emu und Nandu. Nachdem der Mensch vor 800 Jahren Neuseeland besiedelte, starben viele der dort ansässigen Vogelarten aus. Der Kiwi ist trotz intensiver Schutzmaßnahmen stark bedroht.

Ansprechpartner

Dr. Diana LeDuc
Institute of Biochemistry, Medical Faculty

Universität Leipzig
Telefon: +49 341 3550-544

E-Mail: diana_leduc@eva.mpg.de

Prof. Dr. Torsten Schöneberg
Institut für Biochemie, Medizinische Fakultät

Universität Leipzig
Telefon: +49 341 9722-150

E-Mail: torsten.schoeneberg@medizin.uni-leipzig.de

Janet Kelso
Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig
Telefon: +49 341 3550-552

E-Mail: kelso@eva.mpg.de

Sandra Jacob
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig
Telefon: +49 341 3550-122

E-Mail: jacob@eva.mpg.de

Originalpublikation
Le Duc D., Renaud G., Krishnan A., Sällman Almén M., Huynen L., Prohaska S.J., Ongyerth M., Bitarello B.D., Schiöth H.B., Hofreiter M., Stadler P.F., Prüfer K., Lambert D., Kelso J., Schöneberg T.

Kiwi genome provides insights into evolution of a nocturnal lifestyle

Genome Biology, 23 July 2015 (doi: 10.1186/s13059-015-0711-4)

Media Contact

Dr. Diana LeDuc Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de/9327393/kiwi-genom

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Bakterien für klimaneutrale Chemikalien der Zukunft

For­schen­de an der ETH Zü­rich ha­ben Bak­te­ri­en im La­bor so her­an­ge­züch­tet, dass sie Me­tha­nol ef­fi­zi­ent ver­wer­ten kön­nen. Jetzt lässt sich der Stoff­wech­sel die­ser Bak­te­ri­en an­zap­fen, um wert­vol­le Pro­duk­te her­zu­stel­len, die…

Batterien: Heute die Materialien von morgen modellieren

Welche Faktoren bestimmen, wie schnell sich eine Batterie laden lässt? Dieser und weiteren Fragen gehen Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit computergestützten Simulationen nach. Mikrostrukturmodelle tragen dazu bei,…

Porosität von Sedimentgestein mit Neutronen untersucht

Forschung am FRM II zu geologischen Lagerstätten. Dauerhafte unterirdische Lagerung von CO2 Poren so klein wie Bakterien Porenmessung mit Neutronen auf den Nanometer genau Ob Sedimentgesteine fossile Kohlenwasserstoffe speichern können…

Partner & Förderer