Sie sind jung und brauchen den Job: Eine zweite Chance für gefährliche T-Zellen

Einige dieser autoreaktiven T-Zellen lassen sich aber zu „regulatorischen T-Zellen“ umerziehen, die andere autoreaktive T-Zellen unter Kontrolle halten. Ein Team unter der Leitung des LMU-Immunologen Professor Ludger Klein konnte jetzt zeigen, dass für das weitere Schicksal einer autoreaktiven T-Zelle deren Entwicklungsstadium eine entscheidende Rolle spielt.

Junge autoreaktive T-Zellen können sehr einfach zu regulatorischen T-Zellen umerzogen werden. Unter identischen Bedingungen werden ältere Zellen dagegen voll aktiviert und könnten Schaden anrichten – sie sind gewissermaßen erziehungsresistent. „Wir wollen jetzt auf molekularer Ebene untersuchen, was eine T-Zelle zugänglich für die Umerziehung macht“, sagt Klein. „Denn dann wäre es möglich, auch normale erwachsene T-Zellen umzuwandeln, die einfach und in großer Zahl aus dem Blut gewonnen werden können. Als regulatorische T-Zellen könnten sie dann in der Therapie von Autoimmunerkrankungen wie etwa Typ1-Diabetes und Multiple Sklerose zum Einsatz kommen: Diese Leiden werden durch unkontrollierte autoreaktive T-Zellen ausgelöst.“ (PNAS, 10. Juni 2009)

Während ihrer Entwicklung in der Thymusdrüse, einer Art „T-Zellen-Schule“, wird jede T-Zelle mit einem individuellen Rezeptor ausgestattet. Diese Rezeptorvielfalt erlaubt es dem Immunsystem, auf nahezu jeden Krankheitserreger reagieren zu können. Da die Konstruktion der T-Zellen-Rezeptoren nach dem Zufallsprinzip erfolgt, enstehen im Thymus allerdings immer auch T-Zellen, die auf körpereigene Strukturen reagieren und diese attackieren. „Die meisten dieser gefährlichen autoreaktiven T-Zellen werden allerdings in einem Ausleseverfahren aussortiert, bevor sie den Thymus verlassen können“, berichtet Klein. „Diese negative Selektion, also die Elimination autoreaktiver T-Zellen, die sonst den eigenen Organismus angreifen würden, ist eine wichtige Voraussetzung für die immunologische Toleranz.“

Es werden aber nicht alle autoreaktiven T-Zellen in den Zelltod getrieben. Einige von ihnen werden „umerzogen“ zu sogenannten regulatorischen T-Zellen. Sie besitzen dann zwar immer noch einen T-Zellen-Rezeptor, der gegen körpereigene Strukturen gerichtet ist. Sie wurden während ihrer Entwicklung im Thymus aber so umprogrammiert, dass sie keinen Schaden mehr anrichten können. „Ganz im Gegenteil“, meint Klein. „Sie halten sogar andere, aus dem Ruder gelaufene T-Zellen in ihrer Nachbarschaft unter Kontrolle. Damit sind die Mechanismen der Entstehung regulatorischer T-Zellen von großem praktischen Interesse. Die Entschlüsselung dieser Prozesse könnte zu neuen Therapieansätzen bei Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose, rheumatische Arthritis und Typ1-Diabetes führen, die durch autoreaktive T-Zellen ausgelöst werden.“

Klein und seine Mitarbeiter beschäftigten sich in einer Studie mit einigen ungeklärten Aspekten der regulatorischen T-Zellen: Wie können sowohl die negative Selektion, also der induzierte Zelltod, als auch die Umprogrammierung zu regulatorischen T-Zellen in der Thymusdrüse und damit am selben Ort stattfinden? Warum treibt der scheinbar selbe Auslöser manche Zellen in den „Selbstmord“, während er bei anderen einen „Umerziehungsprozess“ auslöst? „Eine unter Immunologen weit verbreitete Hypothese zur Beantwortung dieser Fragen beruht darauf, dass T-Zellen ihre Zielstrukturen nur erkennen können, wenn diese von bestimmten anderen Immunzellen präsentiert werden“, sagt Klein. „Da es im Thymus verschiedene Unterarten solcher antigen-präsentierenden Zellen gibt, haben wir getestet, ob ein Teil davon möglicherweise darauf spezialisiert ist, das eine oder andere T-Zellen-Schicksal zu steuern – mit negativem Ergebnis.“

Stattdessen stellte sich heraus, dass das Entwicklungsstadium – gewissermaßen das „Alter“ – der T-Zellen eine entscheidende Rolle spielt. Selbst im Reagenzglas ließ sich dies beobachten: Junge T-Zellen können sehr gut in regulatorische T-Zellen umerzogen werden, während ältere T-Zellen unter identischen Bedingungen weitgehend „erziehungsresistent“ sind. „Für uns ist entscheidend, diese 'Erziehbarkeit“ auf molekularer Ebene zu verstehen“, meint Klein. „Denn dann könnten wir möglicherweise auch erwachsene, nicht-autoreaktive T-Zellen entsprechend manipulieren, die man ja zu Millionen aus dem Blut von Patienten gewinnen kann. Junge T-Zellen sind dagegen nur im Thymus vorhanden. Wir werden jetzt untersuchen, ob es sowohl für die negative Selektion als auch für die Umprogrammierung in regulatorische T-Zellen im Leben einer jungen T-Zelle spezielle Zeitfenster gibt. Außerdem versuchen wir, die molekularen Schalter innerhalb der T-Zellen zu entschlüsseln, die diese zellautonome Umschaltung als Antwort auf externe Signale steuert.“ (suwe)

Publikation:
„Regulatory T cell differentiation of thymocytes does not require a dedicated antigen-presenting cell but is under T cell-intrinsic developmental control“,
Gerald Wirnsberger, Florian Mair, and Ludger Klein,
PNAS Early Edition, 10. Juni 2009
Ansprechpartner:
Professor Dr. Ludger Klein
Institut für Immunologie
Tel.: 089 / 2180 – 75696
Fax: 089 / 5160 – 2236
E-Mail: ludger.klein@med.uni-muenchen.de

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