Grenzen der Anpassung bei Steinkorallen

Korallenriffe vor der Küste der mexikanischen Halbinsel Yucatan in der Nähe von Grundwasserquellen (Ojos). Foto: Elizabeth D. Crook

Korallen faszinieren Laien und Experten: kleine Polypen, die im Laufe ihres Lebens dem Meerwasser Kalk entziehen und daraus ihre mitunter riesigen Skelette aufbauen. Doch der Klimawandel mit steigenden Wassertemperaturen und zunehmender Versauerung der Meere verändert die Lebenswelt der Korallen in einem beispiellosen Tempo.

Ob sie mit diesen Veränderungen Schritt halten und sich anpassen können, ist bislang eine offene Frage. Jetzt liefern Forscher und Forscherinnen des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und der University of California mit einer Studie über Steinkorallen der Art Porites astreoides, die natürlich bei niedrigem pH-Wert und hohen gelösten Kohlenstoff-Gehalt leben, einen Teil der Antwort.

Mitfinanziert wurden diese Arbeiten durch den österreichischen Wissenschaftsfond FWF (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung). Die Ergebnisse erschienen heute in der internationalen Fachzeitschrift Nature Communications.

Korallen haben in Millionen von Jahren große Umweltveränderungen erlebt und bewältigt. Ihre Skelette sind, wie Baumringe, ein Umweltarchiv, das es der Forschung erlaubt, Einblicke in vergangene Zeiten zu erhalten. Aus kleinsten Unterschieden in der chemischen Zusammensetzung von Korallenskeletten können Rückschlüsse auf ehemals herrschende Umweltbedingungen gewonnen werden. Allerdings sind immer noch viele Details zu den Kontrollprozessen des Skelettaufbaus der Korallen offen.

Um mehr über diese Prozesse zu erfahren, nutzten die Forscherinnen und Forscher ein natürliches Labor vor der mexikanischen Ostküste. Aus nahezu kreisrunden Löchern im Meeresboden, sogenannten Ojos, tritt dort Grundwasser aus. Dieses hat zuvor im Untergrund der Halbinsel Yucatan Kalk gelöst. Es ist im Verhältnis zum normalen Meerwasser saurer, enthält aber mehr gelösten Kohlenstoff und ähnelt damit dem Meerwasser der Zukunft.

Trotz dieser eigentlich ungünstigen Bedingungen hat sich hier die Steinkoralle Porites astreoides angesiedelt. Sie wächst jedoch langsamer als ihre Verwandten außerhalb der Ojos. „Anders als bei Korallen, die in Laborexperimenten nur einige Wochen bis Monate solch einer sauren Umgebung ausgesetzt werden, leben die von uns beprobten Korallen von Beginn an unter derartigen Bedingungen“, sagt Prof. Dr. Adina Paytan von der University of California Santa Cruz, Co-Autorin der Studie.

Für die Studie wurden Proben von Korallen genommen, die in unterschiedlichem Abstand zu den Ojos leben. Damit konnten die Forschenden Korallen der gleichen Art bei unterschiedlich starker Veränderung der Meerwasserzusammensetzung untersuchen.

Aus früheren Studien ist bekannt, dass das Verhältnis von Bor- und Kohlenstoff-Isotopen im Korallenkalk Aufschluss über chemische Eigenschaften der kalkbildenden Flüssigkeit zum Zeitpunkt der Skelettbildung gibt. „Kiel ist einer der wenigen Standorte, an denen wir über die notwendige Analytik verfügen, um diese Verhältnisse hochauflösend und simultan messen zu können“, erklärt Dr. Jan Fietzke, Physiker am GEOMAR und Co-Autor der Studie, „Wir erfassen damit zwei wichtige Parameter der Korallenkalzifizierung.“

Die Untersuchungen ergaben eine nahezu gleichbleibende chemische Zusammensetzung aller Proben. „Daraus können wir schließen, dass jeder Polyp für die Skelettbildung eine kalzifizierende Flüssigkeit erzeugt, die weitestgehend unabhängig von den sie umgebenden Meerwasserbedingungen ist“, erklärt die GEOMAR-Meeresbiologin Dr. Marlene Wall, Erstautorin der Studie, „doch auch kleine Veränderung in den beiden untersuchten Parameter können Auswirkung auf Kalzifizierung haben.“

Auf den chemischen Daten basierende Modellrechnungen für das Korallenwachstum bilden den im Feld gemessen Rückgang des Wachstums ab. In einer Umgebung mit niedrigerem pH-Wert müssen die Korallen an den Ojos mehr Aufwand betreiben, um ihren pH-Wert auf das beobachtete Niveau anzuheben. Dieser Prozess kostet sie wahrscheinlich mehr Energie.

Da die Korallen ihre Energiereserven auf viele wichtige Funktionen wie Nahrungserwerb, Verdauung oder Krankheitsabwehr verteilen müssen, wachsen sie insgesamt langsamer. Weitere Einflüsse, wie die Kalzium-Konzentration in der kalkbildenden Flüssigkeit oder die Rolle von Korallen-Symbionten, bieten allerdings noch Potenzial für weitere Forschungen. „Die Studie hat somit auch gezeigt, dass wir längst noch nicht alle Zusammenhänge zwischen den Veränderungen des Meerwassers und dem Korallenwachstum verstehen“, fasst Dr. Wall zusammen.

Wall, M, J. Fietzke , E. D. Crook, A. Paytan (2019) Using B isotopes and B/Ca in corals from low saturation springs to constrain calcification mechanisms. Nature Communication, http://dx.doi.org/10.1038/s41467-019-11519-9

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Dr. Andreas Villwock idw - Informationsdienst Wissenschaft

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