Grazer Forscher identifizieren Verwandtschaftsbeziehungen kalkiger Rotalgen erstmals anhand von Nano-Kristallstrukturen

Verkalkte Zellwand von Rotalgen mit einem spezifischen Typ von Nanokristallen aus Kalzit, aufgenommen mit dem Rasterelektronenmikroskop. Foto: Uni Graz/Erdwissenschaften

Trotz ihrer immensen Bedeutung für marine Ökosysteme wurde kalkigen Rotalgen in der Vergangenheit wenig Beachtung geschenkt. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass sie anhand klassischer morphologischer Taxonomie, sprich äußerlicher Merkmale, schwer zu klassifizieren und damit schwierig zu erforschen sind.

Mit einer neuen Methode haben Werner Piller und Gerald Auer dieses Hindernis überwunden. „Dank hochauflösender Bildgebung mithilfe von Rasterelektronenmikroskopie konnten wir die nanometergroßen Kristallstrukturen in den verkalkten Zellwänden der Algen erstmals beschreiben“, berichtet Piller. Anhand dieser klassifizierten die beiden Forscher verschiedene Gruppen kalkiger Rotalgen. Ihre Ergebnisse deckten sich mit den Befunden molekularbiologischer Verfahren.

Das bedeutet: „Unsere Methodik erlaubt es, die morphologischen und DNA-basierten Stammbäume dieser wichtigen Organismengruppe zu vereinen“, erklärt der Forscher. Bisher stimmte die Klassifizierung nach äußerlichen Merkmalen mit der genetischen nicht überein.

Damit ergeben sich vielversprechende Perspektiven, Antworten darauf zu bekommen, wie sich in den Genen gespeicherte Informationen im Erscheinungsbild ausprägen und wie das mit Umweltveränderungen zusammenhängt.

Die nanokristallgestützte Klassifizierung ist auch der erste Schritt, den Einfluss des Klimawandels auf bestimmte Gruppen kalkiger Rotalgen zu verstehen. Da die verschiedenen Familien dieser Lebewesen jeweils in unterschiedlichen Temperatur-Zonen vorkommen, lassen sich anhand von Rotalgen-Fossilien Veränderungen der globalen Temperatur im Laufe der Erdgeschichte rekonstruieren.

Die Ergebnisse der aktuellen Studie stellen einen Meilenstein in der morphologischen Beschreibung dar. „Unsere Erkenntnisse lassen vermuten, dass ähnliche Methoden auch in anderen Organismengruppen von Nutzen sein könnten, um den Ausdruck der genetischen Verwandtschaftsbeziehungen in ihrer Formenvielfalt zu erforschen“, unterstreicht Gerald Auer, der nach einem dreijährigen Forschungsaufenthalt an der JAMSTEC (Japan Agency for Marine-Earth Sciences and Technology) mit 1. April 2020 wieder an die Universität Graz zurückkehren wird.

Em.Univ.-Prof. Dr. Werner Piller
Institut für Erdwissenschaften der Universität Graz
NAWI Graz Geozentrum
Tel: +43 (0)316/380-5582
E-Mail: werner.piller@uni-graz.at

Nanocrystals as phenotypic expression of genotypes – An example in coralline red algae
Gerald Auer and Werner E. Piller
Science Advances, 12.02.2020

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Mag. Gudrun Pichler Karl-Franzens-Universität Graz

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