Geparde sind genetisch gesund

Geparde in Namibia sind genetisch weniger verarmt, als bislang angenommen. Sie sind gesund und pflanzen sich gut fort. Foto: Simone Sommer, IZW<br>

Forscher des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung widerlegen damit eine jahrzehntealte Lehrbuchmeinung, wonach vor allem die geringe genetische Vielfalt die Geparde in ihrer Existenz bedroht.

Geparde in Namibia weisen in ihren Immun-Genen mehr Unterschiede auf als bislang angenommen. Forscher des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung widerlegen damit eine jahrzehntealte Lehrbuchmeinung, wonach vor allem die geringe genetische Vielfalt die Geparde in ihrer Existenz bedroht.

Die eleganten Raubkatzen gelten als klassisches Beispiel für den „genetischen Flaschenhals“. Danach verarmt die genetische Vielfalt einer Population, wenn etwa durch eine Eiszeit ihr Lebensraum eingeengt wird und sich wenige isolierte Tiere anschließend wieder vermehren. Die neue Population hat insgesamt weniger Genvarianten, die so genannten Allele, und kann damit neu auftretende äußere Einflüsse wie Krankheiten schlechter tolerieren. Dies schien auf Geparde in Zoos zuzutreffen: Sie waren krankheitsanfällig, ließen sich schlecht züchten und wiesen Spermienanomalien auf. In einer aufsehenerregenden Arbeit in Science von 1984 beschrieben Forscher sogar Hauttransplantationen von Tier zu Tier, ohne dass es zu Abstoßungsreaktionen kam – ein weiterer Hinweis auf kaum vorhandene Unterschiede in den Immun-Genen.

Forscher des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung hatten an der Theorie der existenzbedrohenden genetischen Verarmung Zweifel. So konnten sie in einer früheren Studie das Vorurteil widerlegen, freilebende Geparde würden sich schlecht fortpflanzen. Ihre neuesten Untersuchungen zeigen nun, dass die Geparde auch genetisch keineswegs so verarmt sind wie bislang angenommen. Die Forscher verglichen dazu die Immun-Gene von 149 wilden Geparden aus Namibia, wo mit 3.100 Tieren die weltweit größte Population lebt. Die untersuchten Gene, auch MHC-Gene genannt (Abk. MHC von engl. Major Histocompatibility Complex), enthalten den Bauplan für Proteine des Immunsystems. Diese können zwischen Selbst und Fremd unterscheiden; sie erkennen Erreger wie Viren, Bakterien oder Parasiten und tragen zu ihrer Vernichtung bei. Die fehlende Variabilität bei Immungenen gehört zu den wichtigsten potentiellen Bedrohungen von Arten, wie der Fall des Tasmanischen Teufels zeigt: Hier hat die geringe Vielfalt an MHC-Genen zur unkontrollierten Verbreitung der Devil Facial Tumor Krankheit geführt.

Die Forscher fanden in den MHC-Genen der Geparde eine größere Variabilität als bisher beschrieben, auch wenn sie niedriger war als bei vergleichbaren anderen Raubkatzen. „Betrachtet man nur die Anzahl der unterschiedlichen Allele, sieht die Situation der Geparde immer noch nicht so gut aus“, sagt Simone Sommer vom IZW. Innerhalb dieser wenigen Allele gab es jedoch große Unterschiede in den Genbausteinen. Die Vielfalt der Immunproteine lässt sich an dem Bild einer Perlenkette veranschaulichen: Wenn man in hundert identischen Perlenketten jeweils eine Perle austauscht, hätte man zwar hundert verschiedene Ketten, diese würden sich aber sehr ähneln. Wenige, aber sehr unterschiedliche Allele, wie sie bei den Geparden vorliegen, entsprächen dann vielleicht nur zehn Perlenketten, die sich aber in jeweils 20 Perlen unterscheiden. „Wir fanden vor allem in den funktionell wichtigen Bereichen eine hohe Variabilität, nämlich da, wo an immunrelevanten Zellen Bruchstücke fremder Erreger andocken“, so Sommer. Sie und ihre Mitforscherinnen Aines Castro und Bettina Wachter gehen davon aus, dass diese Variabilität bislang ausreichte, um die Gepardenpopulation gesund zu halten.

Entwarnung für die Art kann Sommer aber trotzdem nicht geben: „Vor neuen Krankheiten, wie sie durch Klimawandel und Umweltveränderungen entstehen, sind die Geparde nicht gut geschützt.“ Diese Faktoren kann der Mensch beeinflussen. Ihm kommt beim Schutz der Geparden weiterhin eine große Bedeutung zu.

Mol. Biol. Evol. 28:1455–1468. 2011 doi:10.1093/molbev/msq330

Kontakt:
Prof. Simone Sommer, Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung, Tel.:030- 5168 315, sommer@izw-berlin.de

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Gesine Wiemer Forschungsverbund Berlin e.V.

Weitere Informationen:

http://www.izw-berlin.de

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