Genomstudie an Algen: Neuer Pflanzenstamm entdeckt

Schematische Darstellung einer Zelle von Prasinoderma coloniale (grün) in der Dämmerungszone des Ozeans. Einige Prozesse, die eine Anpassung an den besonderen Lebensraum darstellen, sind hervorgehoben. © Sibo Wang/BGI Research

Der Quasimodokrebs im Ozean, die hellgelbe Seeanemone im Eis der Antarktis: Neue Arten werden immer wieder mal entdeckt, aber gleich ein ganzer Pflanzenstamm?

Das ist einem internationalen Team unter Leitung der Universität Duisburg-Essen (UDE) innerhalb einer Genomstudie gelungen. Das Fachmagazin „Nature Ecology and Evolution“ berichtet darüber in seiner aktuellen Ausgabe.

Bisher wurden Pflanzen in zwei Abteilungen oder Stämme eingeteilt: Die Streptophyta, die neben einigen Algen alle Landpflanzen umfassen, sowie die Chlorophyta, unter die alle übrigen Grünalgen fallen.

Während die Evolution der Landpflanzen bereits recht gut erforscht ist, liegt der Ursprung der grünen Pflanzen noch weitgehend im Dunkeln.

Unter der Leitung von UDE-Seniorprofessor Dr. Michael Melkonian hat nun ein internationales Team innerhalb des 10.000-Pflanzengenom-Projekts das Erbgut einer Grünalge analysiert, die vor 34 Jahren in 150 m Tiefe im Nordatlantik gefunden wurde.

Prasinoderma coloniale ist eine nur zwei bis drei tausendstel Millimeter kleine einzellige Alge, die in allen Ozeanen der Welt verbreitet ist.

Bakterien sichern das Überleben

Die Erbgutanalyse zeigte, dass die Vorfahren dieser Alge sich vor der Trennung der Pflanzen in Chlorophyta und Streptophyta im Stammbaum abspalteten und einem neuen, dritten Stamm, den Prasinodermophyta, angehören.

Die Forscher fanden aber noch etwas Erstaunliches im Genom: „Es gibt Hinweise darauf, dass die Alge mit der Zeit verlorengegangene Funktionen nun durch Bakterien ersetzt“, erklärt Melkonian.

So kann P. coloniale zum Beispiel die lebensnotwendigen Vitamine B1, B7 und B12 nicht mehr selbst herstellen. Diese bekommt sie nun vermutlich von Bakterien zur Verfügung gestellt, die mit den Algen in Symbiose leben – das heißt, sie profitieren jeweils voneinander.

„Die Prasinodermophyta sind wahrscheinlich Abkömmlinge der ursprünglichsten grünen Pflanzen, die heute in der Dämmerungszone der Ozeane nur dank der mit ihnen assoziierten Bakterien überleben“, fasst Melkonian die Erkentnisse der Genomstudie zusammen.

Redaktion: Birte Vierjahn, Tel. 0203/37 9-2427, birte.vierjahn@uni-due.de

Prof. Dr. Michael Melkonian, Phykologie, michael.melkonian@uni-due.de

Li, L., Wang, S., Wang, H. et al., “The genome of Prasinoderma coloniale unveils the existence of a third phylum within green plants”, Nat Ecol Evol (2020)
https://doi.org/10.1038/s41559-020-1221-7

Media Contact

Birte Vierjahn idw - Informationsdienst Wissenschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Hannover Messe: Bundeskanzler und norwegischer Ministerpräsident besuchen Rittal und Eplan

Olaf Scholz und Jonas Gahr Støre im Gespräch mit Unternehmernern Die Industrie steckt mitten in der Transformation: Digitalisierung, Energiewende, Nachhaltigkeit müssen umgesetzt werden. Was es dafür braucht: Infrastrukturausbau im großen…

Ultraleichte selbstglättende Spiegel

…erhöhen die Effizient hochmoderner Teleskope. Schon immer faszinierte den Menschen der Blick in den Sternenhimmmel und nicht minder faszinierend ist es, die Erde aus dem Weltraum zu betrachten. Möglich ist…

Überraschende Umkehr in Quantensystemen

Forschende haben topologisches Pumpen in einem künstlichen Festkörper aus kalten Atomen untersucht. Die Atome wurden mit Laserstrahlen gefangen. Überraschenderweise kam es zu einer plötzlichen Umkehr der Atome an einer Wand…

Partner & Förderer