Genome von menschlichen Hautpilzen entschlüsselt

Arthroderma benhamiae siedelt auf einem menschlichen Haar. Der Balken im Bild misst 10 µm. Bild: HKI/EMZ-FSU Jena<br>

Die umfangreiche bioinformatische Analyse der Daten ergab Hinweise auf Faktoren, die den Infektionsverlauf bestimmen. Eine verbesserte Kenntnis des Wechselspiels zwischen den krankheitsauslösenden Pilzen und dem Menschen eröffnet neue Möglichkeiten, die Erreger zu bekämpfen. Das ambitionierte Projekt wurde durch den Pakt für Forschung und Innovation gefördert und vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – in Jena koordiniert.

Millionen von Menschen leiden unter Infektionen durch Hautpilze. Zwei weit verbreitete prominente Erreger sind Arthroderma benhamiae und Trichophyton verrucosum. Die beiden Arten sind nah mit einander verwandt. Ihre genetische Information weist daher einen sehr hohen Grad an Übereinstimmung auf. Die Forscher identifizierten durch Entschlüsselung der genetischen Ausstattung beider Pilze eiweißspaltende Enzyme als mögliche Faktoren, die die Virulenz der Erreger mitbestimmen. Außerdem fanden sie überraschenderweise eine Reihe von Genen, die für die Bildung niedermolekularer Naturstoffe verantwortlich sind. Sie könnten wichtige Funktionen im Krankheitsverlauf innehaben. Schließlich gaben die Genomsequenzen beider Pilze Auskunft über deren Fähigkeit zur sexuellen Vermehrung.

Beide Hautpilze, wissenschaftlich als Dermatophyten bezeichnet, bilden ein umfangreiches Set von Enzymen, die Eiweißmoleküle abbauen können. Viele dieser sogenannten Proteasen sind in der Lage, Keratin aufzulösen. Keratin ist ein wasserunlösliches und extrem beständiges Eiweiß. Es bildet einen Hauptbestandteil der Haut und besonders von Haaren und Nägeln bei Mensch und Tier. Durch Ausscheidung Keratin-abbauender Enzyme erschließen sich Dermatophyten die Hautoberfläche als Nahrungsquelle: Sie können sich dort dauerhaft einnisten und mit bisher noch unbekannten Mechanismen das Immunsystem überlisten. Die Bildung Keratin-abbauender Enzyme durch die Erreger wurde vom Forscherteam auch experimentell nachgewiesen. Sie analysierten hierzu das Sekretom – die Gesamtheit aller vom Pilz ausgeschiedenen Proteine. Dabei zeigte sich, dass in guter Übereinstimmung mit der genetischen Ausstattung eine Vielzahl von Proteasen tatsächlich nach außen abgegeben wird. Durch gemeinsame Kultivierung von A. benhamiae mit menschlichen Hautzellen konnten die Forscher nachweisen, dass viele dieser Proteasen erst dann ausgeschieden werden, wenn geeignete Zellen des Wirtsorganismus vorhanden sind und ein Keratinabbau möglich ist. Diese Form der differentiellen Genexpression deutet nach Aussage von Prof. Brakhage sehr stark darauf hin, dass es sich bei den gefundenen Proteasen um Virulenzfaktoren der Dermatophyten handelt.

Erstaunlicherweise tragen beide Pilze tragen jeweils gut zwei Dutzend Gengruppen, die eine Beteiligung an der Synthese sogenannter sekundärer Naturstoffe vermuten lassen. Bisher hat man angenommen, dass Mikroorganismen, die in nährstoffreichen Habitaten wie der Haut leben, diese Fähigkeit nicht besitzen. „Die Genomsequenz hat uns eines anderen belehrt“, so Brakhage. Sekundäre Naturstoffe sind kleine Moleküle, die für den Produzenten nicht lebensnotwendig sind, jedoch wichtige Funktionen im Infektionsprozess haben könnten. Bis heute ist über die Bildung solcher Substanzen nahezu nichts bekannt. Zum Verständnis des Infektionsmechanismus und für die Entwicklung neuer Medikamente sind genauere Kenntnisse über die Bildung solcher Naturstoffe jedoch sehr wichtig. Die nunmehr vorliegenden Genomdaten öffnen damit die Tür für weitere Forschungsarbeiten auf dem Gebiet.

Dermatophyten der Gattungen Arthroderma oder Trichophyton sind vor allem bei Tieren weit verbreitet und können unter geeigneten Bedingungen leicht auf den Menschen übertragen werden. Ausgehend von einer Infektion einzelner Haarfollikel oder kleinster Verletzungen der Haut lösen sie beim Menschen entzündliche Hautinfekte aus, die dem Formenkreis Tinea zugeordnet werden. Durch Dermatophyten verursachte Erkrankungen – Dermatomykosen – sind zwar nicht lebensbedrohlich, aber schwer zu bekämpfen. Die oberen Hautschichten sowie Haare und Nägel bestehen aus abgestorbenen Zellen und werden vom Blutkreislauf nicht versorgt. Daher gelangen auf diesem Wege kaum Medikamente an die betroffenen Körperregionen. Weltweit leiden Millionen von Menschen an Dermatomykosen. Da die Erreger viele Gemeinsamkeiten mit menschlichen Zellen aufweisen, stehen nur wenige Medikamente zur Verfügung, die den Pilz wirkungsvoll bekämpfen, das menschliche Gewebe jedoch unbeeinflusst lassen. Eine genauere Kenntnis der molekularen Vorgänge, die das Krankheitsgeschehen bestimmen, soll die Entwicklung neuer Therapieansätze ermöglichen.

Die Ergebnisse des Genomprojektes wurden soeben in der Zeitschrift Genome Biology veröffentlicht. Neben dem Hans-Knöll-Institut waren Forschergruppen folgender Einrichtungen an dem Projekt beteiligt:
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut Jena
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei Berlin
Duke University Durham (USA)
University of Washington, Seattle (USA)
Schweizer Institut für Bioinformatik
Universität Lausanne (Schweiz).
Original-Veröffentlichung:
Burmester A, Shelest E, Glöckner G, Heddergott C, Schindler S, Staib P, Heidel A, Felder M, Petzold A, Szafranski K, Feuermann M, Pedruzzi I, Priebe S, Groth M, Winkler R, Li W, Kniemeyer O, Schroeckh V, Hertweck C, Hube B, White TC, Platzer M, Guthke R, Heitman J, Wöstemeyer J, Zipfel PF, Monod M, Brakhage AA (2011) Comparative and functional genomics provide insights into the pathogenicity of dermatophytic fungi. Genome Biology 12:R7, http://genomebiology.com/content/12/1/R7
Informationen zum HKI http://www.hki-jena.de
Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler des HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre Wirksamkeit gegen Pilzerkrankungen untersucht und zielgerichtet modifiziert.

Das HKI verfügt derzeit über fünf wissenschaftliche Abteilungen, deren Leiter gleichzeitig berufene Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) sind. Hinzu kommen jeweils vier Nachwuchsgruppen und Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut, darunter das anwendungsorientierte Biotechnikum als Schnittstelle zur Industrie. Zur Zeit arbeiten etwa 320 Menschen am HKI, davon 120 Doktoranden.

Informationen zur Leibniz-Gemeinschaft http://www.leibniz-gemeinschaft.de
Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören zurzeit 87 Forschungsinstitute und wissenschaftliche Infrastruktureinrichtungen für die Forschung sowie zwei assoziierte Mitglieder. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute arbeiten strategisch und themenorientiert an Fragestellungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Bund und Länder fördern die Institute der Leibniz-Gemeinschaft daher gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen etwa 16.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon sind ca. 7.100 Wissenschaftler, davon wiederum 2.800 Nachwuchswissenschaftler.
Ansprechpartner
Dr. Michael Ramm
Wissenschaftliche Organisation
Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie e.V.
– Hans-Knöll-Institut –
Beutenbergstrasse 11a
07745 Jena
+49(0)3641 5321011 (T)
+49(0)3641 5320801 (F)
michael.ramm@hki-jena.de
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