Die Gene bestimmen das Schmerzempfinden

&quot;Schmerzuhr&quot;: Die Größe der 12 Schmerzbereiche entspricht der Anzahl der dafür zuständigen Gene.<br>Grafik: Goethe-Universität/Fraunhofer TMP <br>

Was diese Gene genau tun, haben Forscher des LOEWE-Schwerpunkts „Anwendungsorientierte Arzneimittelforschung“ der Goethe-Universität und der Universität Marburg nun gemeinsam mit kanadischen Kollegen erforscht. Die in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift „Pharmacology and Therapeutics“ publizierten Ergebnisse weisen den Weg zu einer individuellen Schmerz-Therapie.

Die Forschungsergebnisse sind richtungsweisend für die angestrebte „individualisierte Schmerz-Therapie“: In Zukunft soll nicht jeder Patient das gleiche schmerzstillende Medikament bekommen, sondern es wird dem genetischem Fingerabdruck des Schmerzes entsprechend ein Mittel ausgewählt, das für diesen Patienten hoch wirksam ist und dabei möglichst wenig Nebenwirkungen hat.

Um herauszufinden, wie die Gene das Schmerzempfinden beeinflussen, benutzte das Team eine große „Gen-Enzyklopädie“, zu der weltweit alle Wissenschaftler beitragen, die Genen und ihre Funktionen erforschen. Die als „Gen-Ontologie“ bezeichnete Datenbank enthält etwa 38.000 Begriffe und beschreibt die Funktion von circa 50.000 Genen und Genprodukten.

Die größte Herausforderung bestand darin, aus dieser unübersehbaren Menge von Daten die wesentlichen Funktionen der Gene herauszufiltern. Dazu entwickelte das Team Prof. Alfred Ultsch von der Universität Marburg Programme, die nach dem Vorbild der Natur, insbesondere des Gehirns arbeiten: Sie finden die gewünschten Informationen, in dem sie abstrahieren und Unwichtiges ignorieren. Dabei herausgekommen sind 12 wichtige Dimensionen des Schmerzes, die Forscher in Gestalt einer „Schmerzuhr“ angeordnet haben. Jeder der 12 Schmerzbereiche entspricht der Anzahl der dafür zuständigen Gene.
„Erstaunlich war der relativ große Anteil von Genen, die sich mit dem Aus-und Umbau von Nervengeflechten beschäftigen“, erläutert Prof. Jörn Lötsch vom Institut für Klinische Pharmakologie der Goethe-Universität und Erstautor der Studie. „Möglicherweise ergibt sich daraus eine Spur zu den genetischen Mechanismen des Schmerzgedächtnisses. Der Körper erinnert sich nämlich an erlittenen Schmerz und nimmt daher einen erneuten, ähnlichen Schmerz umso stärker wahr“, so Lötsch.

Als eine erste Anwendung der „Schmerzuhr“ skizzieren die Forscher in ihrem Aufsatz Tests zur Wirksamkeit von schmerstillenden Mitteln. Die dafür zuständigen Gene konzentrieren sich in Bereichen, die insbesondere den Schnittstellen zwischen Nervenzellen (Synapsen und Ionen-Transport) zuzuordnen sind.

Die Ergebnisse beruhen auf einer intensiven interdisziplinäre Zusammenarbeit von Pharmakologen, Molekularbiologie, Schmerzforschung und Datenbionik (Informatik). Beteiligt waren neben den Gruppen von Prof. Lötsch und Prof. Ultsch auch Forscher der Fraunhofer-Projektgruppe Translationale Medizin und Pharmakologie TMP in Frankfurt, des Instituts für Klinische Pharmakologie der Goethe-Universität unter der Leitung von Prof. Gerd Geisslinger sowie Prof. Jeffrey Mogil vom Schmerzforschungszentrum der McGill Universität in Montreal/Kanada.
Publikation:
Lötsch, J., Doehring, A., Mogil, J.S., Arndt, T., Geisslinger,G. & Ultsch, A.: Functional genomics of pain in analgesic drug development and therapy, Pharmacology and Therapeutics April (2013).

http://authors.elsevier.com/sd/article/S0163725813000831

Informationen: Prof. Jörn Lötsch, Institut für Klinische Pharmakologie, Klinikum der Goethe-Universität und Fraunhofer Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME, Projektgruppe Translationale Medizin und Pharmakologie TMP, Tel.:(069) 6301-4589, j.loetsch@em.uni-frankfurt.de.

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