Genaustausch erlaubt Bakterien fit zu bleiben

Der Erreger Bartonella henselae. Universität Basel, Biozentrum

Bartonellen sind Bakterien, die beim Menschen verschiedene Infektionskrankheiten auslösen können, beispielsweise die Katzenkratzkrankheit. Um während des Infektionszyklus keine schädigenden Mutationen anzuhäufen benötigen Krankheitserreger effiziente DNA-Reparaturmechanismen. Dem Austausch von intakten Genen zwischen Bakterien kommt hierbei eine wichtige Rolle zu. So können Fehler im Genpool ausgemerzt und das genetische Material frisch gehalten werden.

Das Team von Prof. Christoph Dehio am Biozentrum der Universität Basel fand in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich heraus, dass Bartonellen virusähnliche Partikel, sogenannte Gene Transfer Agents, für einen effizienten Genaustausch nutzen. Bereits geschädigte Bakterien sind von diesem Gentransfer ausgeschlossen und haben somit geringe Chancen, ihr fehlerhaftes Genmaterial in der Population zu verbreiten.

Gentransfer durch domestizierte Viren

Gene Transfer Agents sind evolutionäre Abkömmlinge von sogenannten Bakteriophagen, das sind Viren, die Bakterien befallen. Anders als das eigene Genom bei Bakteriophagen verpacken sie zufällige Teile des bakteriellen Genoms und übertragen dieses auf andere Bakterien. Mithilfe dieser domestizierten Bakteriophagen können Bakterien einer Population effizient DNA-Fragmente untereinander austauschen.

Diese Form des Gentransfers hat jedoch einen hohen Preis: Der Teil der Bakterienpopulation, der Gene Transfer Agent Partikel produziert, stirbt bei deren Freisetzung. Welchen Vorteil verschaffen die sich opfernden Bakterien dem Teil der Bakterienpopulation, der weiterlebt und die Genfragmente aufnimmt?

Beim Wachstum einer Bakterienpopulation teilen sich die Zellen fortwährend. Bei jeder Zellteilung wird das Erbmaterial verdoppelt und an die beiden Nachkommen weitergegeben. Dabei schleichen sich immer wieder Fehler ein. Nur durch effiziente Reparaturmechanismen – unter anderem durch den Austausch von fehlerfreiem genetischem Material – lässt sich eine Ansammlung genetischer Fehler verhindern. Kurz: Das genetische Material bleibt frisch.

«Ein weiterer evolutionärer Vorteil des Gene Transfer Agents ist, dass sich so auch neues Genmaterial innerhalb der Bakterienpopulation verbreitet und ihr vorteilhafte neue Eigenschaften verleiht. Dazu zählen beispielweise auch Resistenzen gegen Antibiotika», erklärt Dehio. Was für das Bakterium ein Überlebensvorteil bedeutet, kann für den Menschen hingegen bedrohlich sein.

Nur fitte Bakterien tauschen Gene

Wie genau der Austausch von genetischem Material mithilfe des Gene Transfer Agents unter den Bakterien funktioniert und wie er geregelt ist, war bislang nicht bekannt. Das Team von Dehio hat in seiner Studie nun umfassend die Komponenten identifiziert, die bei dem Prozess wichtig sind: Es zeigte sich, dass Stresssignalen eine Schlüsselrolle zukommt. Diese sorgen dafür, dass lediglich Bakterien genetisches Material austauschen, denen es gut geht; während bei Bakterien, die aufgrund unvorteilhafter Genmutationen unter einem hohen Stresslevel stehen, dieser Austausch nicht stattfindet.

«Man könnte auch sagen, nur die fitten und genetisch vielversprechenden Bakterien einer Population teilen sich und tauschen dabei genetisches Material aus. Bei genetisch geschwächten und dadurch gestressten Bakterien hingegen ist dieser Mechanismus ausgeschaltet», so Maxime Québatte, der Erstautor der Studie.

Der Austausch von intaktem Genmaterial verleiht den Bakterien dauerhaft eine hohe Fitness, die es ihnen ermöglicht, langfristig im Wirt zu überleben und sich effizient auf neue Wirte zu übertragen. Dieses Wissen lässt sich nun im Gegenzug dazu nutzen, neue Strategien gegen Infektionen mit dem Krankheitserreger Bartonella zu entwickeln.

Originalbeitrag

Maxime Québatte, Matthias Christen, Alexander Harms, Jonas Körner, Beat Christen, and Christoph Dehio
Gene transfer agent promotes evolvability within the fittest subpopulation of a bacterial pathogen
Cell Systems (2017), doi: 10.1016/j.cels.2017.05.011

Weitere Auskünfte

Prof. Dr. Christoph Dehio, Universität Basel, Biozentrum, Tel. +41 61 207 21 40, E-Mail: christoph.dehio@unibas.ch
Heike Sacher, Universität Basel, Biozentrum, Kommunikation, Tel. +41 61 207 14 49, E-Mail: heike.sacher@unibas.ch

Media Contact

Heike Sacher Universität Basel

Weitere Informationen:

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