Fundamentaler biologischer Schaltmechanismus entdeckt

Eine Erklärung dafür liefern jetzt Wissenschaftler des Forschungszentrums Dresden-Rossendorf (FZD). Sie entdeckten einen fundamentalen Schaltmechanismus, der im Laufe der Evolution trotz der hohen Spezialisierung in allen Schaltern erhalten geblieben ist. Die Ergebnisse erschienen kürzlich im „Journal of Biological Chemistry“ (DOI: 10.1074/jbc.M109.002030).

Biologische Schalter – auch Rezeptoren genannt – sind komplexe Moleküle, die insbesondere in den Zellwänden sitzen. Sie ermöglichen die Reaktion einer Zelle auf äußere Reize, indem sie immer dann Stoffwechselvorgänge an- und abschalten, wenn eine entsprechende chemische Substanz an die Außenseite der Zelle bindet. Obwohl jeder Rezeptor nur auf eine ganz bestimmte Substanz anspricht, besitzen viele von ihnen einen sehr ähnlichen molekularen Aufbau. Das führte die FZD-Wissenschaftler zu der Annahme, dass den Rezeptoren ein einheitlicher Schaltmechanismus zugrunde liegen könnte. Um dies zu untersuchen, beschäftigten sie sich mit einem Rezeptortyp, der aus sieben Molekülbereichen besteht. Im Menschen sind etwa 1.000 solcher siebenteiligen Rezeptoren bekannt, wo sie als Schalter für Hormone, Neurotransmitter, Geruchsstoffe oder auch Licht arbeiten. Mehr als die Hälfte aller verschreibungspflichtigen Medikamente wirken auf Rezeptoren dieses Typs.

„Wir haben nachgewiesen, dass ein wichtiger Teil des Schaltvorgangs nicht direkt durch die chemische Struktur von Hormonen oder anderen reizauslösenden Substanzen bewirkt wird“, so die FZD-Wissenschaftler Dr. Karim Fahmy und Sineej Madathil. Vielmehr spielt sich ein entscheidender Vorgang in einem Bereich des Rezeptors ab, den die Wissenschaftler „Protonen-Schalter“ nennen, weil dafür Protonen, also positiv geladene Wasserstoffatome, eine zentrale Rolle spielen. Sie sind ein natürlicher Bestandteil von Wasser und daher auch im Zellinnern vorhanden. Der Schaltvorgang findet in einem Molekülteil statt, der an das Zellinnere grenzt, während die Erkennung chemischer Reize an der Außenseite des Rezeptors erfolgt. Die Forscher fanden heraus, dass der „Protonen-Schalter“ wie in einem arbeitsteiligen Aufbau als eigenständiges Modul funktioniert.

„Im Laufe der Evolution musste dieser Schaltmechanismus also nicht für jeden neuen Botenstoff neu erfunden werden. Stattdessen blieb das erfolgreiche Modul im siebenteiligen Gesamtaufbau der Rezeptormoleküle erhalten, während sich die chemischen Erkennungsregionen an die verschiedensten Signale angepasst haben“, erklärt Dr. Fahmy. Die äußeren chemischen Signale haben lediglich die Aufgabe, die Stelle des Rezeptors freizulegen, mit der die Protonen reagieren können.

Neben der grundlegenden medizinischen Bedeutung der Ergebnisse sehen die FZD-Forscher in dem von ihnen künstlich hergestellten, einfachen Protonen-Schalter ein großes Potenzial für Anwendungen im Bereich der Sensorik. So könnten Minilabore in Form künstlicher Zellen hergestellt werden, die über solche Schaltmechanismen mit ihrer Außenwelt kommunizieren – ein Vorgang, der u.a. in der Umweltanalytik zum Nachweis und der Entfernung von toxischen Substanzen eingesetzt werden könnte.

Veröffentlichung:
Madathil, S., Fahmy, K.: „Lipid protein interactions couple protonation to conformation in a conserved cytosolic domain of G-protein-coupled receptors“, in: Journal of Biological Chemistry 2009, 284: 28801-28809. (DOI: 10.1074/jbc.M109.002030)
Weitere Informationen:
Dr. Karim Fahmy
Forschungszentrum Dresden-Rossendorf (FZD)
Institut für Radiochemie
Tel.: 0351 260 – 2952
Email: k.fahmy@fzd.de
Pressekontakt:
Dr. Christine Bohnet
Forschungszentrum Dresden-Rossendorf (FZD)
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Bautzner Landstr. 400, 01328 Dresden
Tel.: 0351 260 – 2450 oder 0160 969 288 56
Email: presse@fzd.de
Information:
Das Forschungszentrum Dresden-Rossendorf (FZD) hat das Ziel, strategisch und langfristig ausgerichtete Spitzenforschung in politisch und gesellschaftlich relevanten Forschungsthemen wie Energie, Gesundheit, Struktur der Materie und Schlüsseltechnologien zu leisten. Folgende Fragestellungen stehen dabei im Mittelpunkt:
– Wie verhält sich Materie unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?
– Wie können Tumorerkrankungen frühzeitig erkannt und wirksam behandelt werden?
– Wie schützt man Mensch und Umwelt vor technischen Risiken?
Diese Fragestellungen werden in strategischen Kooperationen mit Forschungs- und Industriepartnern bearbeitet. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Betrieb von sechs einmaligen Großgeräten, die auch externen Nutzern zur Verfügung stehen.

Das FZD wird als Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft von Bund und Land gefördert, verfügt über ein Budget von mehr als 70 Mio. Euro (2008) und beschäftigt rund 750 Personen.

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Dr. Christine Bohnet idw

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