Fossile der ersten Lebensformen: Biochemische Spuren vom Ursprung des Lebens im Stoffwechsel entdeckt

Sich selbst erhaltende autokatalytische Netzwerke entstehen aus dem "Starting Set" der Biomoleküle (rot) am Ursprung des Stoffwechsels, vor zellulärem Leben. Bild: Xavier JC, Martin WF

Sie benötigen lediglich Ko-Faktoren (Vitamine) und Metalle als Katalysatoren. Diese Netzwerke sind einfacher und weniger vollständig als moderne Stoffwechselnetzwerke, – aber sie können wachsen, sie bauen Einheiten aus Protein und RNA und sind Bestandteile des modernen Stoffwechsels. Sie legen eine Spur zum gemeinsamen Vorfahren allen Lebens.

Der mikrobielle Stoffwechsel schmiedet lebendige Zellen aus unbelebter Materie durch ein dichtes Netzwerk aus tausenden von Einzelreaktionen, die alle miteinander verbunden sind.

Forscher aus Deutschland, Neuseeland und den U.S.A. haben jetzt Spuren der allerersten Netzwerke aus der Urzeit der Evolution bei primitiven Mikroben entdeckt. Diese Ur-Netzwerke sind kleiner und einfacher als ihre modernen Nachkommen. Sie liefern neue Erkenntnisse zur frühen Evolution.

Seit dem Beginn des Lebens vor vier Milliarden Jahren entstehen biologische Zellen Molekül für Molekül aus der Nahrung durch das chemische Geflecht des Stoffwechsels: Nahrung wird von der Zelle aufgenommen und nach chemischen Bestandteilen sortiert.

Diese werden dann in den zentralen Stoffwechsel eingeschleust und schließlich in die Substanzen umgewandelt, aus denen die neue Tochterzelle besteht. Der zentrale Stoffwechsel aller Zellen umfasst mehr als 1.000 chemische Reaktionen.

Diese Reaktionen werden durch Enzyme katalysiert. Enzyme sind Proteine (Eiweiße), sie werden an den Eiweiß-Synthese Fabriken der Zelle, den Ribosomen, gebildet. Die Informationsanleitung dazu steckt wiederum in den Genen (Nukleinsäuren) und wird durch den universellen genetischen Code übersetzt.

Neue Forschungsergebnisse von einem internationalen Forscherteam unter der Federführung von Joana C. Xavier am Institut für Molekulare Evolution der Heinrich Heine-Universität Düsseldorf beschreiben nun autokatalytische Netzwerke als mögliche Vorstufe zum Stoffwechsel und weisen sie in primitiven Mikroben nach.

Autokatalytische Netzwerke bestehen aus sog. Einzelelementen, die im Netzwerk gleichzeitig als Produkt und Katalysator dienen, sofern die Umwelt geeignete Substrate dazu liefert.

Zurückgehend auf dieses Konzept der Autokatalyse (Stuart Kauffman, amerikanischer Mathematiker / theoretischer Biologe, Ko-Autor) und der Möglichkeit der Programmierung solcher Netzwerke (durch den neuseeländischen Mathematiker Mike Steel, University of Canterbury in Christchurch zusammen mit dem niederländischen Informatiker Wim Hordijk) können solche Netzwerke heute untersucht werden.

Eine bestimmte Klasse von autokatalytischen Netzwerken, abgekürzt als RAFs (reflexivly autocatalytic food generated networks), die dem Stoffwechsel besonders ähneln, weil sie eine Nahrungsquelle benötigen und eine unerwartet hohe Wahrscheinlichkeit haben, von alleine zu entstehen, konnte von dem Forschungsverbund beschrieben werden.

Joana Xavier, Expertin auf dem Gebiet metabolischer Netzwerke, fand RAFs im Stoffwechsel von primitiven Mikroben, die ganz in Abwesenheit von Sauerstoff leben und sich von H2 und CO2, ernähren: Acetogene (Essigbildner) und Methanogene (Methanbildner). H2 und CO2 sind die einfachsten aller Nahrungsformen und vermutlich auch der Nahrung der allerersten Zellen.

Die Acetogene und Methanogene haben mit ihrer Vorliebe für H2 und CO2 eine Gemeinsamkeit mit dem letzten Vorfahren allen Lebens, LUCA (Last Universal Common Ancestor). Ihr H2 und CO2 abhängiger Stoffwechsel zeigt zudem auffällige Gemeinsamkeiten mit geochemischen Reaktionen, die abiotisches Methan aus H2 und CO2 an modernen Hydrothermalquellen bilden.

Ferner fand das Forscherteam, dass die RAFs der Acetogene und der Methanogene in 172 Reaktionen überlappen. Noch älter als die ältesten Zellen, ist dieses Netzwerk ein biochemisches Fossil, das Einblicke in die chemischen Reaktionen, aus dem das Leben entstand gewährt.

Das Ur-Netzwerk hat die Eigenschaft, dass es zur Bildung von Aminosäuren und Basen aus einfachen Ausgangssubstanzen führt, wohingegen die Reaktion in der Rückwärtsrichtung kein Netzwerk ergibt. „Nicht nur sind Fossile von autokatalytischen Netzwerken im Stoffwechsel erhalten, sie waren die Vorläufer sowohl von RNA als auch von Protein, das ist eine wichtige Erkenntnis“ sagt Kauffman (s.o.), Ko-Autor der Studie.

William Martin vom Institut für Molekulare Evolution der Heinrich Heine-Universität Düsseldorf und ebenfalls Ko-Autor der Studie erläutert: „Die Netzwerke im Stoffwechsel von LUCA sind älter als Gene. Sie weisen auf eine natürliche Ordnung an der chemischen Basis des Lebens hin”.

Acetogene und Methanogene wachsen heute noch an Hydrothermalquellen. „Je genauer wir hinschauen, umso mehr häufen sich die Hinweise dafür, dass das Leben an Hydrothermalquellen entstanden ist”, sagt auch Xavier, “Hydrothermalquellen der Tiefsee waren wahrscheinlich die ersten Bioreaktoren auf der Erde”.

Die Identifizierung von autokatalytischen Netzwerken als Bestandteile des modernen Stoffwechsels gewährt neue Einblicke in die frühesten Phasen der chemischen Evolution. Dass Fossile der ersten Lebensformen im Stoffwechsel moderner Zellen zu finden sind, eröffnet grundlegend neue Möglichkeiten zur Erforschung der frühen Evolution.

Joana C. Xavier, Prof. Dr. William F. Martin, Institut für Molekulare Evolution, Heinrich Heine-Universität Düsseldorf, Xavier@hhu.de, bill@hhu.de

Originalpublikation: Xavier JC, Hordijk W, Kauffman S, Steel M, Martin WF (2020) Autocatalytic chemical networks at the origin of metabolism. Proc. R. Soc. B 287: 20192377. http://dx.doi.org/10.1098/rspb.2019.2377, https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rspb.2019.2377

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