Forscher lösen Bremse des Immunsystems

Dr. Janine Gotot, Prof. Dr. Christian Kurts und Christoph Heuser (von links) bei der Auswertung der immunologischen Daten. (c) Foto: Volker Lannert/Uni Bonn

Killer-T-Zellen sind eine mächtige Waffe des Immunsystems. Nach einer Virusinfektion etwa schwärmen sie in riesigen Mengen aus und zerstören alle befallenen Körperzellen. Ihre Vernichtungskraft richtet sich auch gegen Krebszellen – zumindest im Prinzip. Viele Tumore haben nämlich Mechanismen entwickelt, mit denen sie diese Abwehrwaffe ausbremsen können.

Dazu spannen sie zum Beispiel die so genannten regulatorischen T-Zellen für sich ein. Diese gehören ebenfalls zum Immunsystem, übernehmen dort aber eine entgegengesetzte Funktion: Sie unterdrücken die Immunantwort und verhindern so, dass Killer-T-Zellen gesundes Körpergewebe angreifen.

Tumoren nutzen das, indem sie sich als körpereigenes Gewebe ausgeben. Sie lassen sich also gewissermaßen von den regulatorischen T-Zellen beschützen. „Wir haben nun einen Weg gefunden, die regulatorischen T-Zellen abzutöten“, erklärt Christoph Heuser, Doktorand am Institut für Experimentelle Immunologie der Universität Bonn. „Dadurch konnten wir die Schlagkraft der Killer-T-Zellen deutlich steigern.“

Im Zentrum der Studie steht ein körpereigenes Protein namens IKKβ. Schon seit einigen Jahren ist bekannt, dass dieses Molekül die Reifung und Aktivierung von Immunzellen fördert. Es gilt daher eigentlich als Immunstimulanz.

„Wir haben nun IKKβ mit Hilfe eines Wirkstoffs im Reagenzglas blockiert“, sagt Heusers Kollegin Dr. Janine Gotot. „Daraufhin starben die regulatorischen T-Zellen ab. Die Killer-T-Zellen dagegen überlebten und gewannen sogar noch an Schlagkraft, weil sie nicht mehr von den regulatorischen T-Zellen gehemmt wurden.”

Die Forscher testeten nun an Mäusen mit Hautkrebs, ob sich der IKKß-Hemmstoff zur Tumorbehandlung eignen könnte. Diese Krebsart wird heutzutage mit Impfungen und Immuntherapien behandelt, die jedoch oft nicht effektiv genug sind. Die Wissenschaftler behandelten die Nager kurz nach der Impfung mit dem IKKß-Hemmstoff. Nach etwa zweiwöchiger Behandlung ging die Anzahl der regulatorischen T-Zellen um die Hälfte zurück. Entsprechend stärker fiel die Antwort der Killer-T-Zellen gegen den Tumor aus. Dadurch wurde das Krebswachstum deutlich verzögert, und die Tiere überlebten länger.

Kombinationstherapie gegen Tumoren

„Eine vollständige Heilung lässt sich allein durch die Hemmung von IKKß allerdings nicht erzielen“, relativiert Prof. Dr. Christian Kurts, Leiter des Instituts für Experimentelle Immunologie an der Universität Bonn. „Durch Kombination mit anderen immunologischen Wirkstoffen lässt sich das Immunsystem jedoch eventuell so stark stimulieren, dass der Krebs besser bekämpft werden kann.“

Die regulatorischen T-Zellen sind nämlich nur ein Element unter vielen, mit denen der Körper seine Abwehrzellen in Schach hält. Experten nennen diese Brems-Mechanismen auch „immunologische Checkpoints“. In den letzten Jahren ist es Wissenschaftlern gelungen, diese Bremsen durch geeignete Hemmstoffe (die „Checkpoint-Inhibitoren“) zu lösen. „Dieser Ansatz hat bereits jetzt die Therapie von Krebserkrankungen revolutioniert“, sagt Kurts. Die Universität Bonn engagiert sich stark in der Entwicklung und klinischen Erprobung derartiger Therapien, unter anderem im Rahmen des Centrums für integrierte Onkologie (CIO), des Exzellenzclusters „ImmunoSensation“ und der deutsch-australischen Graduiertenkollegs „Bo&MeRanG“.

Publikation: Christoph Heuser, Janine Gotot, Eveline C. Piotrowski, Marie-Sophie Philipp, Christina Johanna Felicia Courrèges, Martin Sylvester Otte, Linlin Guo, Jonathan Leo Schmid-Burgk, Veit Hornung, Annkristin Heine, Percy Alexander Knolle, Natalio Garbi, Edgar Serfling, César Evaristo, Friedrich Thaiss, Christian Kurts: Prolonged IKKβ inhibition improves ongoing CTL antitumor responses by incapacitating regulatory T cells

Kontakt:

Prof. Dr. Christian Kurts
Direktor des Instituts für Experimentelle Immunologie
Universität Bonn
Tel. 0228/28711051
E-Mail: ckurts@uni-bonn.de

https://doi.org/10.1016/j.celrep.2017.09.082 Publikation

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