Forscher identifizieren genetische Basis von Raubzügen bei Ameisen

Kolonie der Sklavenhalter-Ameisenart Temnothorax americanus mit Temnothorax longispinosus Ameisen, die für sie die Brutpflege übernehmen müssen Foto: Barbara Feldmeyer

Nur knapp 3mm groß und doch eine Kampfmaschine – die nordamerikanische Ameisenart Temnothorax americanus hat es in sich, denn sie gehört zu einer Gruppe von Ameisen, die sich nahverwandte Ameisenarten untertan machen und für sich arbeiten lassen.

Aufgabe der „Sklavenameisen“ ist es dann, die Brut der anderen Art zu betreuen und für Futter zu sorgen. Um an die Sklaven zu gelangen, gehen Ameisen wie Temnothorax americanus auf Raubzug. Forschende des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) erforschen, welche Gene diese Überfälle steuern.

„Unsere Experimente zeigen, dass sich die Angriffsstrategien von Temnothorax americanus und ihrer Verwandten Temnothorax dulocticus und Temnothorax pilagens grundsätzlich ähneln. Im Detail verhalten sich die Ameisen beim Angriff jedoch unterschiedlich“, erklärt Dr. Barbara Feldmeyer vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum, Leiterin der Studie. „Unsere Genanalyse zeigt, dass die unterschiedlichen Angriffsmethoden aus einer unterschiedlichen Steuerung der Gene resultieren.“

Dabei passiert bildlich gesprochen Folgendes: Im Erbgut der drei Ameisenarten werden Knöpfe unterschiedlich stark gedrückt. Letztendlich erreichen damit aber alle Arten das gleiche Ziel – einen erfolgreichen Überfall. Dieser Befund ist überraschend, denn bei nah verwandten, genetisch ähnlichen Arten wird eher damit gerechnet, dass der genetische Weg zu einem bestimmten Ziel der gleiche ist.

Wie diese Studie nun belegt, könnte genetische Evolution unter nah verwandten Arten aber durchaus zufällig sein. „Die Ergebnisse legen nahe, dass viele evolutionäre Anpassungen auf zufällige Mutationen zurückzuführen sind. Diese Mutationen führen sogar zwischen nah verwandten Arten zu genetischen Unterschieden. Auf diese Arten wirken aber oft ähnliche Selektionsdrücke. Daher ist das Resultat der Anpassungsprozesse, also das Verhalten, ähnlich“, erläutert die an der Studie beteiligte Prof. Dr. Susanne Foitzik, Universität Mainz.

Die Studie zeigt zudem, dass bei den Sklavenhalter-Ameisen die unterschiedliche Genexpression einzig und allein auf den Raubzug ausgerichtet ist. Ähnliche Muster fanden die Forscher auch bei den potentiellen Sklaven, die genetisch basiert unterschiedliche Muster der Verteidigung zeigen.

Trotz all ihrer Unterschiede verfügen die drei Temnothorax-Slavenhalterarten aber wohl über zwei für den Angriff wichtige Gene. „Acyl-CoA Delta (11)-Desaturase sorgt dafür, dass die Räuber während des Angriffs chemische Duftstoffe absondern. Diese Duftstoffe maskieren die Räuber und erhöhen somit die Erfolgsschancen des Überfalls. Außerdem beeinflusst das Gen Trypsin-7 möglicherweise das Erkennungspotential und sorgt damit zumindest teilweise für die für einen Angriff notwendige Identifikation der Wirtskolonien“, fasst Feldmeyer zusammen.

Kontakt

Dr. Barbara Feldmeyer
Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum
Tel. +49 (0)69- 7542 1839
Barbara.feldmeyer@senckenberg.de

Sabine Wendler
Pressestelle
Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum
Tel. +49 (0)69- 7542 1818
pressestelle@senckenberg.de

Publikation

Alleman, A., Feldmeyer, B. and Foitzik, S. (2018): Comparative analyses of co-evolving host-
parasite associations reveal
unique gene expression patterns underlying slavemaker raiding and host defensive phenotypes.
Scientific Reports, doi:10.1038/s41598-018-20262-y

Die Pressebilder können kostenfrei für redaktionelle Berichterstattung zu dieser Pressemeldung verwendet werden unter der Voraussetzung, dass der genannte Urheber mit veröffentlicht wird. Eine Weitergabe an Dritte ist nur im Rahmen der aktuellen Berichterstattung zulässig.

Die Pressemitteilung und Bildmaterial finden Sie auch unter http://www.senckenberg.de/presse

Die Natur mit ihrer unendlichen Vielfalt an Lebensformen zu erforschen und zu verstehen, um sie als Lebensgrundlage für zukünftige Generationen erhalten und nachhaltig nutzen zu können – dafür arbeitet die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung seit nunmehr 200 Jahren. Diese integrative „Geobiodiversitätsforschung“ sowie die Vermittlung von Forschung und Wissenschaft sind die Aufgaben Senckenbergs. Drei Naturmuseen in Frankfurt, Görlitz und Dresden zeigen die Vielfalt des Lebens und die Entwicklung der Erde über Jahrmillionen. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Das Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt am Main wird von der Stadt Frankfurt am Main sowie vielen weiteren Partnern gefördert. Mehr Informationen unter http://www.senckenberg.de.

Media Contact

Sabine Wendler Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Nanofasern befreien Wasser von gefährlichen Farbstoffen

Farbstoffe, wie sie zum Beispiel in der Textilindustrie verwendet werden, sind ein großes Umweltproblem. An der TU Wien entwickelte man nun effiziente Filter dafür – mit Hilfe von Zellulose-Abfällen. Abfall…

Entscheidender Durchbruch für die Batterieproduktion

Energie speichern und nutzen mit innovativen Schwefelkathoden. HU-Forschungsteam entwickelt Grundlagen für nachhaltige Batterietechnologie. Elektromobilität und portable elektronische Geräte wie Laptop und Handy sind ohne die Verwendung von Lithium-Ionen-Batterien undenkbar. Das…

Wenn Immunzellen den Körper bewegungsunfähig machen

Weltweit erste Therapie der systemischen Sklerose mit einer onkologischen Immuntherapie am LMU Klinikum München. Es ist ein durchaus spektakulärer Fall: Nach einem mehrwöchigen Behandlungszyklus mit einem immuntherapeutischen Krebsmedikament hat ein…

Partner & Förderer