Forscher haben neues Sexualpheromon bei Fruchtfliegen entdeckt

Ein Forscherteam von der Universität Münster und der „Harvard Medical School“ in den USA hat nun eine Substanz entdeckt, die dieses Vermeidungsverhalten auslöst. Der Botenstoff wird während der Paarung vom Männchen auf das Weibchen übertragen und sorgt dafür, dass die erfolgreich begattete Fliege auf andere Männchen nicht mehr anziehend wirkt. Die Ergebnisse sind in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift „Current Biology“ veröffentlicht.

Insekten verwenden zur chemischen Kommunikation spezielle Kohlenwasserstoff-Verbindungen, die sie auf ihrer Körperoberfläche präsentieren. Diese Botenstoffe werden von anderen Insekten über den Geruchssinn wahrgenommen oder durch Kontaktrezeptoren, die zum Beispiel auf den Beinen liegen, „erschmeckt“ – nach dem gleichen Prinzip, nach dem ein Mensch mit Rezeptoren auf der Zunge seine Nahrung schmeckt. Eine besonders wichtige Rolle spielen so genannte Sexualpheromone, die den Geschlechtstrieb anregen oder auch bremsen. Zwar sind diese Botenstoffe und ihr Einfluss auf das Paarungsverhalten bei der Fruchtfliege bereits gut untersucht. Dennoch konnten die chemischen Daten bislang nicht erklären, weshalb Fruchtfliegen-Männchen die Weibchen noch Tage nach einer Paarung meiden.

Die Vermutung von Wissenschaftlern, dass noch weitere nicht identifizierte Botenstoffe existieren, hat sich durch die Ergebnisse des deutsch-amerikanischen Teams nun bewahrheitet: Die Forscher konnten durch den Einsatz moderner massenspektrometrischer Verfahren eine Vielzahl neuer Verbindungen auf der Körperoberfläche von Fruchtfliegen nachweisen. Diese Stoffe zeichnen sich durch eine besonders große Länge der Kohlenwasserstoffketten aus. Zudem enthalten sie ein oder mehrere Sauerstoffatome. Beides macht sie weniger flüchtig und damit der bisher zumeist angewandten Untersuchungsmethode, der Gaschromatografie, schwer zugänglich.

Bei dem an der Universität Münster entwickelten Verfahren wurden nun erstmals ganze Insekten in ein Flugzeitmassenspektrometer eingeschleust. Ein feiner Strahl eines Ultraviolett-Lasers tastet bei dieser Methode die Fliegen ab und verdampft die Botenstoffe von ihrer Körperoberfläche. Weil ein Teil der abgelösten Moleküle gleichzeitig ionisiert wird, also eine Ladung trägt, können diese Moleküle mit elektrischen Feldern manipuliert und im Massenspektrometer nach der für jedes Molekül spezifischen Masse aufgetrennt werden. Auf diese Weise können die Wissenschaftler die Substanzen identifizieren.

Eine bestimmte Kohlenwasserstoff-Verbindung kommt in hoher Konzentration auf der Oberfläche des Geschlechtsorgans männlicher Fruchtfliegen vor. Dieser Befund veranlasste die Forscher, diese Substanz – genannt „CH503“ – genauer unter die Lupe zu nehmen. Tatsächlich wird der Stoff bei der Begattung von der männlichen auf die weibliche Fruchtfliege übertragen und ist dort dann mit der neuen Methode etwa zehn Tage lang nachweisbar.

Im Verhaltensexperiment zeigte sich zudem, dass „CH503“ als Pheromon wirkt und Fruchtfliegen-Männchen tatsächlich von der Paarung abhält – mit dem Pheromon „einparfümierte“ jungfräuliche Weibchen werden unattraktiv. „Unsere Ergebnisse könnten eine bislang offene verhaltensbiologische Frage klären – weshalb nämlich begattete Fruchtfliegen-Weibchen so lange von möglichen Paarungspartnern gemieden werden“, sagen die beiden Hauptautoren der Studie, Dr. Joanne Yew von der „Harvard Medical School“ und Privatdozent Dr. Klaus Dreisewerd vom Institut für Medizinische Physik und Biophysik der WWU.

Wissenschaftler vermuten, dass die Vermeidung von mehreren Paarungen hintereinander für Fruchtfliegen Vorteile hat: Die Männchen „sind auf der sicheren Seite“ – ihre Erbanlagen werden ungestört übertragen und nicht durch Konkurrenz verdrängt. Die Weibchen verschwenden keine Energie auf überflüssige Paarungen, sondern können sich in Ruhe der Suche nach einem geeigneten Ei-Ablageplatz widmen.

Literatur:

Yew J.Y. et al. (2009): A New Male Sex Pheromone and Novel Cuticular Cues for Chemical Communication in Drosophila. Current Biology Online / doi:10.1016/j.cub.2009.06.037

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Dr. Christina Heimken idw

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