Forscher entwickeln Unterwasser-Observatorium

Erster Test des Zooplankton-Observatoriums an der Warnow (© Thünen-Institut)

Die Weiten des Meeres und dessen zeitweise harschen Bedingungen stellen Meeresforscher häufig vor schwierige Situationen. In der Nordsee nahe Helgoland haben Wissenschaftler des Thünen-Instituts für Seefischerei, des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) und des Helmholtz-Zentrums Geesthacht (HZG) jetzt ein außergewöhnliches Gerät ausgebracht: ein optisch-akustisches Unterwasser-Observatorium.

Es ist in der Lage, kleinste Meereslebewesen unter Wasser zu erfassen und automatisch zu identifizieren – rund um die Uhr und selbst unter Bedingungen, unter denen kein Forschungsschiff den Hafen verlassen kann.

Mikroskopisch kleine Krebstiere, Fischlarven, Quallen sowie Jugendstadien vieler Schnecken und Stachelhäuter – all das wird zum Zooplankton gezählt. Es stellt die Basis der Nahrungskette im Meer dar, seine Verteilung und Vielfalt ist somit auch für viele Fischbestände und Meeressäuger von großer Bedeutung.

Das Zooplankton-Observatorium ist in der Lage, die Verteilungsmuster der Kleinlebewesen und Partikel mit einer hohen räumlichen und zeitlichen Auflösung automatisch zu erfassen, ohne die Lebensgemeinschaften durch Fanggeräte oder Probenahmen zu beeinflussen. Zusätzlich kann es die Verteilung und Sinkgeschwindigkeit kleiner organischer Partikel, den sogenannten „Schnee der Meere“, registrieren. Diese Partikel sind wichtiger Bestandteil der Kohlenstoffflüsse in den Ozeanen und haben somit Einfluss auf die klimatischen Bedingungen sowie deren Wandel.

Das Unterwasser-Gerät basiert auf der Kombination eines akustischen Doppler-Strömungsmessers (ADCP) mit einem Video-Plankton-Rekorder (VPR). Letzterer ist ein Unterwasser-Kamerasystem, das 15 hochaufgelöste Bilder pro Sekunde aufnehmen kann. Dadurch wird es möglich, Organismen ab einer Größe von 0,5 Millimeter zu beobachten und zu bestimmen – selbst fragile Arten wie gelatinöses Plankton, welches bei der traditionellen Probennahme mit Planktonnetzen häufig nicht erfasst wird. Der ADCP liefert eine dreidimensionale Vermessung des Strömungsfeldes und misst die akustische Rückstreustärke. Mit Hilfe dieser Daten lassen sich tägliche oder auch saisonale Wanderungsmuster von Zooplankton-Gemeinschaften untersuchen und Wanderungsgeschwindigkeiten ermitteln.

Das Zooplankton-Observatorium wurde von Dr. Boris Cisewski vom Thünen-Institut für Seefischerei und Dr. Klas Ove Möller vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht (ehemals Institut für Hydrobiologie und Fischereiwissenschaft der Universität Hamburg) mit der Hilfe von spezialisierten Meerestechnik-Unternehmen entwickelt. Ende November wurde es vom wissenschaftlichen Tauchzentrum des AWI unter Mithilfe des Wasser- und Schifffahrtsamts Tönning mit dem Gewässerschutzschiff „Neuwerk“ ausgebracht.

Das neue Zooplankton-Observatorium ergänzt nun den Unterwasserknoten, welcher als Teil von COSYNA (Coastal Observing System for Northern and Arctic Seas) vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht und Alfred-Wegener-Institut entwickelt und 2012 nördlich von Helgoland im AWI-Unterwasserexperimentalfeld MarGate in Betrieb genommen wurde. Dieser Unterwasserknoten – eine Unterwassersteckdose für Strom- und Internetanschluss unter Wasser – bietet die Möglichkeit, unterschiedliche Sensoren und Geräte unter Wasser anzuschließen und kurz- oder längerfristig per Fernzugriff zu betreiben. Der Knoten wird von Prof. Philipp Fischer, Wissenschaftler am AWI, in Zusammenarbeit mit dem Helmholtz-Zentrum Geesthacht betrieben, um u.a. die Fischfauna und Bodentiere zu untersuchen und zu vermessen. Das Zooplankton-Observatorium ergänzt die bereits ausgebrachten Messinstrumente in idealer Weise und soll nun zunächst für mehrere Monate Daten liefern.

Die drei verantwortlichen Wissenschaftler wollen die optisch-akustischen Daten, die das neue Zooplankton-Observatorium liefert, zusammen mit dem vom AWI erhobenen Langzeit-Datensatz „Helgoland Reede“ für weitergehende gemeinsame Untersuchungen verwenden. „Helgoland Reede“ gilt als einer der wertvollsten und detailliertesten Meeres-Datensätze der Welt, im täglichen Rhythmus werden dort Messwerte von Temperatur, Salz- und Nährstoffgehalt erhoben sowie die vorkommenden Tiere und Pflanzen analysiert.

Das Zooplankton-Observatorium wurde im Rahmen des Verbundprojekts AutoMAT („Anpassung und Weiterentwicklung von innovativen, nicht-invasiven Monitoringsystemen und Auswerteverfahren für die Fischereiforschung“) entwickelt. AutoMAT wurde vom Projektträger BLE (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung) gefördert.

Ansprechpartner:

Dr. Boris Cisewski
Thünen-Institut für Seefischerei
Tel.: 040 38905-224
Mail: boris.cisewski@thuenen.de

Dr. Klas Ove Möller
Helmholtz-Zentrum Geesthacht (HZG)
Tel.: 04152 87-2371
Mail: klas.moeller@hzg.de

Prof. Dr. Philipp Fischer
Alfred-Wegener-Institut (AWI)
Tel.: 04725 819-3344
Mail: philipp.fischer@awi.de

Media Contact

Dr. Michael Welling Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei

Weitere Informationen:

http://www.ti.bund.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Anlagenkonzepte für die Fertigung von Bipolarplatten, MEAs und Drucktanks

Grüner Wasserstoff zählt zu den Energieträgern der Zukunft. Um ihn in großen Mengen zu erzeugen, zu speichern und wieder in elektrische Energie zu wandeln, bedarf es effizienter und skalierbarer Fertigungsprozesse…

Ausfallsichere Dehnungssensoren ohne Stromverbrauch

Um die Sicherheit von Brücken, Kränen, Pipelines, Windrädern und vielem mehr zu überwachen, werden Dehnungssensoren benötigt. Eine grundlegend neue Technologie dafür haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bochum und Paderborn entwickelt….

Dauerlastfähige Wechselrichter

… ermöglichen deutliche Leistungssteigerung elektrischer Antriebe. Überhitzende Komponenten limitieren die Leistungsfähigkeit von Antriebssträngen bei Elektrofahrzeugen erheblich. Wechselrichtern fällt dabei eine große thermische Last zu, weshalb sie unter hohem Energieaufwand aktiv…

Partner & Förderer