Experimenteller Nachweis eines neuen Sprungmechanismus von Transposons – Vektorwahl und Gentransfer

Vektorintegration in oder nahe eines Gens (Promoter = roter Pfeil, drei Exons) a) normale Genexpression; b) Insertion in ein Exon; c) Insertion in ein Intron; d) Insertion in die Promoterregion. Quelle: PEI

Aufgrund ihrer Anzahl und Mobilität spielen transponierbare DNA-Abschnitte im Genom, sogenannte Transposons (springende Gene), eine wichtige Rolle in der Evolution. Es gibt zwei Hauptklassen von Transposons:

DNA-Transposons, die sich mit einem nicht­replikativen Transpositionsmechanismus im Genom verschieben, und Retrotrans­posons, die sich über einen replikativen (sich vervielfältigenden) Mechanismus im Genom vermehren und neue Kopien ihrer selbst verschieben.

Um die Jahrtausend­wende wurden neue replikative DNA-Transposons postuliert, die sogenannten Helitronen. Jedoch konnte damals kein aktives Helitrontransposon isoliert werden.

Forscher um Dr. Zoltán Ivics, Leiter der Abteilung Medizinische Biotechnologie, ließen in Kooperation mit Wissenschaftlern vom Max Delbrück Center for Molecular Medicine in Berlin und weiteren Forschungsgruppen aus dem In- und Ausland mit biotechnologischen Methoden „Helraiser“, ein uraltes Element aus dem Genom der Fledermaus, wieder auferstehen.

Sie nutzten dieses Transposon als experimentelles Modell zur Erforschung der Mechanismen zur Verschiebung und Vervielfältigung dieser Helitronen im Genom. Die Wissenschaftler wiesen einen Mechanismus nach, mit dem Helitrontransposons auch Wirts-DNA an neue Orte des Genoms übertrugen (genome shuffling).

Nach Einschätzung von Ivics und seinen Kollegen wäre es möglich, „Helraiser“ zu einem Gentransfer-Werkzeug weiterzuentwickeln. Unter Nutzung des genome shuffling könnten zum Beispiel transkriptionelle Regulationssignale im Genom verteilt werden [1].

Darüber hinaus wurden von Ivics und Kollegen kovalente ringförmige Zwischenprodukte während der Helraiser-Transposition detektiert, die, wie vermutet, auf einen replikativen Transpositionsmechanismus hinweisen. Dies wäre insbesondere bei Anwendungen nützlich, bei denen mehrere genomisch integrierte Kopien eines Genkonstrukts erwünscht sind.

Schon in vorangegangenen Arbeiten hatten Ivics und Kollegen im Verbund mit internationalen Forschungsgruppen mit „Sleeping Beauty“ ein künstliches Transposon von einem mehr als zehn Millionen alten Transposon in Fischen abgeleitet. Dieses neue Werkzeug hatten sie beispielsweise genutzt, um Gene in die Keimbahn von Versuchstieren zu übertragen [3-5], was für die nichtklinische Untersuchung neuer Arzneimittel nützlich werden könnte.

Vektorwahl und Sicherheit des Gentransfers

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt von Ivics und Kollegen ist die Erforschung potenzieller Risiken, die mit der Übertragung von Genen mithilfe eines Vektors (Genfähre, z.B. modifizierte Viren oder auch Plasmide) einhergehen. Als Vektoren werden beispielsweise vermehrungsunfähige Versionen von Transposons, MLV (Maus-Leukämie-Virus)-Retrovirus und HIV-Lentivirus eingesetzt.

Ivics Forschungsgruppe und weitere externe Kooperationspartner verglichen die genomweite Verbreitung und die Transposon-Insertionsstellen der Transposons Sleeping Beauty (SB), piggyBac (PB) sowie von MLV- und HIV-Vektoren [2] in bestimmten Immunzellen des Menschen, den CD4-positiven T-Zellen.

Die Verteilung von Sleeping Beauty hatte in diesen Untersuchungen die höchste Trefferquote bezüglich des gewünschten Genortes. Dagegen zeigten piggyBac- und MLV-Vektoren unerwartete Parallelen: Beispielsweise fanden sich MLV- und piggyBac-Insertionen gehäuft nicht am gewünschten Ort.

Die Forscher stellten auch fest, dass die vier untersuchten Vektorsysteme in unterschiedlichem Ausmaß Gene ansteuerten, deren Deregulation bereits vorher mit schweren Nebenwirkungen in klinischen Prüfungen von Gentherapeutika in Verbindung gebracht worden waren.

„Unsere Daten weisen auf die Bedeutung der Wahl des Vektors beim Gentransfer im Hinblick auf das Risiko unbeabsichtigter mutagener Effekte in den behandelten Zellen hin und geben Hinweise darauf, dass Sleeping Beauty gegenüber einigen anderen Vektorsystemen eventuell Vorteile bieten könnte“, erläutert Ivics.

Originalpublikationen

1. Grabundzija I, Messing SA, Thomas J, Cosby RL, Bilic I, Miskey C, Gogol-Döring A, Kapitonov V, Gerhardt DJ, Diem T, Dalda A, Jurka J, Pritham EJ, Dyda F, Izsvák Z, Ivics Z (2016): A Helitron Transposon Resurrected From the Bat Genome Reveals a Novel Mechanism of Genome Shuffling in Eukaryotes.
Nat Commun Mar 2 [Epub ahead of print].
DOI 10.1038/NCOMMS10716

2. Gogol-Döring A, Ammar I, Gupta S, Bunse M, Miskey C, Chen W, Uckert W, Schulz TF, Izsvák Z, Ivics Z (2016): Genome-Wide Profiling Reveals Remarkable Parallels Between Insertion Site Selection Properties of the MLV Retrovirus and the piggyBac Transposon in Primary Human CD4+ T Cells.
Mol Ther Jan 12 [Epub ahead of print].
DOI: 10.1038/mt.2016.11

3. Ivics Z, Garrels W, Mátés L, Yau TY, Bashir S, Zidek V, Landa V, Geurts A, Pravenec M, Rülicke T, Kues WA, Izsvák Z (2014): Germline transgenesis in pigs by cytoplasmic microinjection of Sleeping Beauty transposons.
Nat Protoc 9: 810-827.

4. Ivics Z, Hiripi L, Hoffmann OI, Mátés L, Yau TY, Bashir S, Zidek V, Landa V, Geurts A, Pravenec M, Rülicke T, Bösze Z, Izsvák Z (2014): Germline transgenesis in rabbits by pronuclear microinjection of Sleeping Beauty transposons.
Nat Protoc 9: 794-809.

5. Ivics Z, Mátés L, Yau TY, Landa V, Zidek V, Bashir S, Hoffmann OI, Hiripi L, Garrels W, Kues WA, Bösze Z, Geurts A, Pravenec M, Rülicke T, Izsvák Z (2014): Germline transgenesis in rodents by pronuclear microinjection of Sleeping Beauty transposons.
Nat Protoc 9: 773-793.

Das Paul-Ehrlich-Institut in Langen bei Frankfurt am Main ist als Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG). Es erforscht, bewertet und lässt biomedizinische Human-Arzneimittel und Veterinär-Impfstoffe zu und ist für die Genehmigung klinischer Prüfungen sowie die Pharmakovigilanz – Erfassung und Bewertung möglicher Nebenwirkungen – zuständig. Die staatliche Chargenprüfung, wissenschaftliche Beratung/Scientific Advice und Inspektionen gehören zu den weiteren Aufgaben des Instituts. Unverzichtbare Basis für die vielseitigen Aufgaben ist die eigene experimentelle Forschung auf dem Gebiet der Biomedizin und der Lebenswissenschaften. Das Paul-Ehrlich-Institut mit seinen rund 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nimmt zudem Beratungsfunktionen in nationalem (Bundesregierung, Länder) und internationalem Umfeld (Weltgesundheitsorganisation, Europäische Arzneimittelbehörde, Europäische Kommission, Europarat und andere) wahr.

http://www.nature.com/ncomms/2016/160302/ncomms10716/full/ncomms10716.html – Abstract Paper Nature Communications (DOI 10.1038/NCOMMS10716)
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26755332 – Abstract Paper Molecular Therapy (DOI: 10.1038/mt.2016.11)
http://www.pei.de/DE/infos/presse/pressemitteilungen/2016/06-experimenteller-nac… – Diese PM auf den Seiten des PEI mit Links zu allen fünf Abstracts

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Dr. Susanne Stöcker idw - Informationsdienst Wissenschaft

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