Essenzielles Protein für Gefäßneubildung identifiziert

Mikroskopische Aufnahme entstehender Zellkontakte zwischen Endothelzellen. Das Transmembranprotein VE-Cadherin (grün) vermittelt die Bildung von zellulären Kontakten und ist mit dem intrazellulären Aktinzytoskelett (rot) verbunden. Zellkerne sind blau gefärbt. Bild: Reiner Wimmer<br>

Angiogenese ist der Prozess, durch den neue Blutgefäße aus bestehenden Gefäßen gebildet werden. Sie ermöglicht die Entwicklung des Herz-Kreislauf-Systems im Embryo und ist von entscheidender Bedeutung für die Geweberegeneration bei Erwachsenen. Bei der Angiogenese sprossen Zellen von bereits vorhandenen Gefäßen ab und bilden so neue Gefäße. Die Zellen bewegen sich dabei gemeinsam, also in ständigem Kontakt zueinander. Dieser Prozess wird auch von Tumoren missbraucht, um ihr Wachstum zu fördern.

Protein Raf-1 steuert Stabilität von Zell-Zell Kontakten bei Neubildung von Gefäßen

Die Forschungsgruppe um Manuela Baccarini an den Max F. Perutz Laboratories der Universität Wien beschäftigt sich mit zellulären Signalkaskaden, also wie Informationen von innerhalb oder außerhalb in der Zelle verarbeitet werden. Ein wichtiger Signalweg läuft über das Protein Raf-1. „Wir untersuchten Endothelzellen denen Raf-1 fehlt und mussten feststellen, dass sie sich normal teilen konnten und auch morphologisch nicht von normalen Zellen zu unterscheiden waren“, erklärt Reiner Wimmer, Erstautor der Publikation. Dennoch simulierten die ForscherInnen die Angiogenese mit diesen Zellen im Labor. „Wir waren sehr überrascht, dass Zellen ohne Raf-1 nicht mehr gemeinsam, sondern einzeln wanderten.“

Die Bedeutung dieser unerwarteten Entdeckung wurde in weiteren Experimenten klar: Raf-1 reguliert während der Angiogenese direkt an der Zellmembran die Anbindung von anderen Zellen an das interne Zellgerüst über so genannte „Adherens Junctions“: Sind die Verbindungen zu schwach, zerfallen die Zellverbände. Sind sie zu stark, können sich die Zellen nicht fortbewegen. Unter der Kontrolle von Raf-1 wird die Stabilität von Zell-Zell Kontakten ständig moduliert, um eine kollektive Wanderung zu ermöglichen.

Gleicher Mechanismus unterstützt Krebsentwicklung

Angiogenese spielt physiologisch hauptsächlich in der Embryonalentwicklung eine Rolle. Tumore missbrauchen diesen eigentlich gutartigen Prozess, um ihr Wachstum zu fördern. Erreicht ein Tumor eine bestimmte Größe, werden ihm die Nährstoffe zu knapp. Er veranlasst dann über chemische Signale, dass neue Gefäße vom Körper gebildet werden, um sie direkt an den Blutkreislauf anzubinden. Derzeitige Forschung in der Antiangiogenese-Therapie konzentriert sich auf VEGF-Signalmoleküle, die vom Tumor abgesondert werden, um die Angiogenese einzuleiten. Die Ergebnisse der ForscherInnen eröffnen einen weiteren Ansatzpunkt: Durch die Hemmung von Raf-1 könnte man den Mechanismus der Gefäßneubildung selbst reduzieren und damit die Anbindung des Tumors an die Nährstoffversorgung des Körpers verzögern oder verhindern.

Publikation
Wimmer R, Cseh B, Maier B, Scherrer K, Baccarini M (2011). Angiogenic sprouting requires the fine-tuning of endothelial cell cohesion by the Raf-1/Rok-α complex. Developmental Cell.
DOI 10.1016/j.devcel.2011.11.012, PMID: 22209329
Volltext: http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1534580711005223
Die Max F. Perutz Laboratories (MFPL) sind ein gemeinsames Forschungs- und Ausbildungszentrum der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien am Campus Vienna Biocenter. An den MFPL sind rund 530 WissenschafterInnen in über 60 Forschungsgruppen mit Grundlagenforschung im Bereich der Molekularbiologie beschäftigt.
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1030 Wien, Dr.-Bohr-Gasse 9
T +43-1-4277-546 29
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Max F. Perutz Laboratories
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1030 Wien, Dr.-Bohr-Gasse 9
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