Erster Nachweis eines Nanovirus für Deutschland und Zentraleuropa

Ein bisher unbekanntes Virus wurde 2009 aus Erbsenpflanzen in Sachsen-Anhalt isoliert. Wie das Julius Kühn-Institut (JKI) zusammen mit französischen Kollegen vom Institut des Sciences du Végétal (CNRS) nach zahlreichen Tests feststellen konnte, handelt es sich nicht nur um das erste in Zentraleuropa gefundene Nanovirus, sondern darüber hinaus um eine neue Nanovirusart.

Daraufhin wurden im Sommer 2010 verdächtige Proben aus Österreich, Serbien und Ungarn gesammelt, um gezielt nach dem neuen Virus zu suchen. Während der 57. Deutschen Pflanzenschutztagung vom 6. – 9.9.2010 werden die aktuellen Ergebnisse vorgestellt und unter den Fachwissenschaftlern diskutiert.

Die virusähnlichen Symptome an Erbsenpflanzen fielen in Deutschland erstmals im Sommer 2009 in der Nähe von Aschersleben (Sachsen-Anhalt) auf. Aus verdächtigen Pflanzen wurde ein Krankheitserreger isoliert, der auffällige Vergilbungs- und Stauchesymptome an Erbsen –und Fababohnensämlingen verursachte. Nachdem alle üblichen Tests keine in Europa bekannten Viren nachwiesen, ging Dr. H. Josef Vetten vom Julius Kühn-Institut (JKI) auf weitere Spurensuche. „Es deutete sich an, dass es sich um einen Nanovirus handeln könnte“, so Vetten. Diese Viren sind in Nordafrika und im Nahen Osten zum Beispiel an Kichererbsen und Linsen weit verbreitet. In Europa traten sie bislang nur in Spanien sporadisch auf. Der Verdacht traf ins Schwarze. Damit wurde für Zentraleuropa erstmals ein Nanovirus nachgewiesen. Die molekularen Unterschiede zu bisher bekannten Nanoviren sind so groß, dass das 2009 gefundene Isolat als eine neue Virusart angesehen werden kann. Für sie haben die Wissenschaftler der Fachwelt den Namen Pea necrotic yellow dwarf virus (PNYDV) vorgeschlagen.

„Obwohl der Winter 2009/2010 sehr kalt war und wegen des nassen und sehr kühlen Frühlings bzw. Frühsommers die Überträger von Viren, Blattläuse, sich kaum entwickelten und wenig Flugaktivität zeigten, konnte in mehr als der Hälfte der 2010 in Österreich, Serbien und Ungarn gesammelten Erbsenproben Nanoviren nachgewiesen werden“, so Vetten vom JKI. Nanoviren sind demnach wesentlich weiter verbreitet als bisher angenommen.

Erbsen werden in Europa meist von Kleinbauern im Umkreis von verarbeitenden Konservenfabriken angebaut. Die gesamte Erbsenanbaufläche für eine Fabrik kann bis zu 12.000 ha betragen. Ökologisch bewirtschaftete Erbsenfelder in Österreich waren vergleichsweise stärker befallen als konventionell bewirtschaftete Flächen. Da im Ökoanbau weder das Saatgut noch die späteren Pflanzen mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden, können sich die Virusüberträger – Blattläuse – stärker vermehren und das Virus auf die Erbsen übertragen. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass in bestimmten Ländern (in Südosteuropa), unter günstigen klimatischen Bedingungen (milde Winter und warmes Frühjahr) und bestimmten Kulturbedingungen („Ökoanbau“) das neue Nanovirus in Erbsenbeständen so stark auftreten kann, dass es wirtschaftliche Bedeutung erlangt.

Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Heinrich-Josef Vetten
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Institut für Epidemiologie und Pathogendiagnostik
Messeweg 11-12
38104 Braunschweig, Germany
Tel.: 0531 299-3720
heinrich-josef.vetten[at]jki.bund.de
Vortrag zum Thema im Tagungsband zur 57. Deutschen Pflanzenschutztagung (Julius-Kühn-Archiv, Band 428, 2010), S. 333, 50-2

Media Contact

Dr. Gerlinde Nachtigall idw

Weitere Informationen:

http://www.pflanzenschutztagung.de

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