Erste Ergebnisse von Experimenten am European XFEL veröffentlicht

Undulator-System im European XFEL-Photonentunnel Ein Ingenieur führt Tests am ersten vollständig installierten Undulator-System von European XFEL durch. Der Undulator benutzt Magnete, um ultrakurze Röntgenlaserblitze aus beschleunigten Elektronen zu erzeugen. © European XFEL / Heiner Müller-Elsner

Dabei konnten sie erstmals zeigen, dass unter den Messbedingungen des Experiments Daten hoher Qualität mit sehr kurz aufeinanderfolgenden Pulsen gesammelt werden können. Das verkürzt die Messzeit deutlich. Die genaue Strukturbestimmung von Biomolekülen ist von großer Bedeutung, weil sich daraus unter anderem wichtige Hinweise zur Entstehung und Behandlung von Krankheiten ergeben können.

Prof. Ilme Schlichting: „Wir konnten zeigen, dass mit den derzeitigen Messbedingungen mit dem European XFEL Daten sehr viel schneller aufgenommen werden können als bisher. Schon in naher Zukunft werden daher viel mehr Forscher Experimente an Röntgenlasern mit hoher Pulsfrequenz durchführen können, da Kosten und Aufwand für die Messung stark sinken. Das bietet nicht nur Biologen und Medizinern, sondern auch Physikern, Chemikern und anderen Forschern neue Möglichkeiten.“

Prof. Robert Feidenhans’l, Geschäftsführer bei European XFEL: „Dieses fantastische Ergebnis, das nur wenige Wochen nach Ende der Experimente veröffentlicht wurde, spiegelt die harte Arbeit unserer Nutzer ebenso wie die der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei European XFEL, DESY und unseren Kooperationspartnern wider. Sie haben mit viel Einsatz dafür gesorgt, dass alles effizient funktioniert, angefangen von der Planung und Durchführung der Experimente bis zur Datenaufnahme und Veröffentlichung.“

Die Forscher untersuchten eine Mischung drei verschiedener Proteinmoleküle aus Pflanzen – des Enzyms Urease sowie der Proteine Concanavalin A und Concanavalin B. An der SPB/SFX-Experimentierstation (Single particles, Clusters and Biomolecules /Serial Femtosecond Crystallography) am European XFEL spritzten sie kleine Kristalle der Proteine in einem Flüssigkeitsstrahl in den Röntgenstrahl.

Wenn ein Röntgenblitz einen Probenkristall trifft, nimmt ein hinter der Probe eingebauter Detektor das Muster der gestreuten Röntgenstrahlen auf. Mit Hilfe von Computerprogrammen können die Forscher mit diesen Aufnahmen dreidimensionale Modelle der untersuchten Moleküle berechnen. Während des Experiments sind Tausende von Bildern aufgenommen worden, die gut genug waren, um die drei verschiedenen Moleküle zu unterscheiden und dreidimensionale Modelle von Concanavalin A und B zu berechnen.

Der Röntgenlaser kann bis zu 27.000 Blitze pro Sekunde erzeugen. Die Blitze kommen in Pulsfolgen von zehn Paketen pro Sekunde, die von vergleichsweise langen Pausen ohne Blitze unterbrochen sind. Würde eine Pulsfolge eine ganze Sekunde andauern, würde sie mehr als 1,1 Millionen Pulse liefern – Fachleute sprechen von einer Pulsrate von 1,1 Megahertz. Mit der heutigen Veröffentlichung wurde erstmals an Röntgenlasern eine solche Pulsrate erreicht und für Experimente genutzt. Kein anderer Röntgenlaser weltweit kann eine solche Rate erreichen.

Dr. Adrian Mancuso, leitender Wissenschaftler an der SPB/SFX Experimentierstation: „Dieser Meilenstein ist das Resultat harter Arbeit des SPB/SFX-Teams, der European XFEL-Mitarbeiter und unserer Nutzer von mehr als 35 Universitäten und Forschungsreinrichtungen aus aller Welt, die uns bei der Inbetriebnahme der Experimentierstation unterstützt haben. Aufbauend auf die Ergebnisse können wir nun die Pulse dazu nutzen, Moleküle in Aktion zu filmen. Wenn wir eine Reaktion während der ersten Pulse eines Pakets starten können, dann können wir mit den folgenden Pulsen des Pakets Schnappschüsse von der Reaktion aufnehmen während sie abläuft.“

Derzeit gibt es weltweit nur fünf Röntgenlaser, die kurzwelliges, hartes Röntgenlicht erzeugen. Die Messzeiten sind daher stark gefragt und die Anlagen in der Regel mehrfach überbucht. Verkürzte Experimentierzeiten durch eine hohe Zahl von Röntgenlichtblitzen wie in der Publikation der Forscher beschrieben ermöglichen eine größere Zahl von Forschungsvorhaben und eröffnen einer größeren Anzahl von Wissenschaftlern Zugang zu den hellsten Röntgenlichtquellen der Welt.

Für die Arbeiten an der SPB/SFX Experimentierstation hat das SFX-Nutzerkonsortium Instrumentierung und Personal zur Verfügung gestellt, das die Experimente ermöglicht hat. Im SFX-Nutzerkonsortium sind Partner aus Deutschland, Schweden, dem Vereinigten Königreich, der Slowakei, der Schweiz, Australien und den Vereinigten Staaten vertreten.

Über European XFEL

European XFEL ist eine internationale Forschungsanlage der Superlative in der Metropolregion Hamburg: 27.000 Röntgenlaserblitze pro Sekunde und eine Leuchtstärke, die milliardenfach höher ist als die der besten Röntgenstrahlungsquellen herkömmlicher Art eröffnen völlig neue Forschungsmöglichkeiten. Forschergruppen aus aller Welt können an dem europäischen Röntgenlaser atomare Details von Viren und Zellen entschlüsseln, dreidimensionale Aufnahmen im Nanokosmos machen, chemische Reaktionen filmen und Vorgänge wie die im Inneren von Planeten untersuchen. European XFEL ist eine gemeinnützige Forschungsorganisation, die eng mit dem Forschungszentrum DESY und weiteren internationalen Institutionen zusammenarbeitet. Sie beschäftigt rund 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, im September 2017 hat die Anlage den Nutzerbetrieb aufgenommen. Mit Kosten von 1,25 Milliarden Euro (Preisniveau 2005) für Bau und Inbetriebnahme und einer Länge von 3,4 Kilometern ist European XFEL eine der größten und ambitioniertesten europäischen neuen Forschungseinrichtungen. Derzeit beteiligen sich zwölf Länder: Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Russland, Schweden, die Schweiz, die Slowakei, Spanien, Ungarn und das Vereinigte Königreich. Deutschland (Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein) trägt 58 Prozent der Kosten für die Einrichtung, Russland 27 Prozent. Die anderen Partnerländer sind mit ein bis drei Prozent beteiligt. Mehr Informationen finden Sie unter www.xfel.eu/de.

Pressekontakt:
Dr. Bernd Ebeling
Telefon: +49 040 8998-6921
Email: bernd.ebeling@xfel.eu

http://dx.doi.org/10.1038/s41467-018-05953-4

http://media.xfel.eu/XFELmediabank/?l=de&c=17793 (Bilder)

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Dr. Bernd Ebeling idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

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