Erfindungen der Evolution: Was Fröschen ein Gesicht verleiht

Exemplar eines Südafrikanischen Krallenfrosches (Xenopus laevis), den die Zoologen der Universität Jena erforschen. Foto: Jan-Peter Kasper/FSU<br>

„Sei kein Frosch!“ So heißt es umgangssprachlich oft, wenn jemand zu lange zögert, statt beherzt zu handeln. Dabei könnte die Bezeichnung als „Frosch“ durchaus Anlass sein, das eigene Selbstbewusstsein zu stärken. Schließlich sind Frösche absolute Gewinnertypen – zumindest evolutionsbiologisch betrachtet: Fast 6.000 verschiedene Arten sind heute bekannt.

„Damit sind Frösche zahlenmäßig allen anderen Amphibienarten und zum Beispiel auch den Säugetieren überlegen“, sagt Prof. Dr. Lennart Olsson von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die Arbeitsgruppe des Professors für Spezielle Zoologie untersucht das besondere Erfolgsgeheimnis dieser Tiere. „Uns interessiert, wie die Vielfalt der Frösche entstanden ist und welche evolutionären Neuentwicklungen gerade diese Amphibien so erfolgreich machen“, erläutert Jennifer Schmidt aus Olssons Team.

Ihr evolutionärer Erfolg steht den Fröschen buchstäblich ins Gesicht geschrieben: Zu den „Innovationen“ der Frösche gehören u. a. bestimmte Knorpel- und Knochenstrukturen im Kopfbereich der Kaulquappen. Diese nur bei Fröschen vorkommenden Strukturen sind im Bereich des Mundes zu finden. Sie ermöglichen den Kaulquappen – etwa des Südafrikanischen Krallenfroschs (Xenopus laevis) – besonders gut, pflanzliche Nahrung vom Boden und Steinen abzuraspeln oder aus dem Wasser zu filtern.

In ihrer aktuellen Studie, die in der Fachzeitschrift „Journal of Anatomy“ veröffentlicht wurde, hat Jennifer Schmidt gemeinsam mit Ulmer Kollegen einen zentralen Faktor für die Entwicklung dieser morphologischen Besonderheiten der Kaulquappen untersucht. Aus früheren Untersuchungen war bekannt, dass das Gen „FOXN3“ eine Schlüsselrolle in der embryonalen Entwicklung des Kopfes von Krallenfröschen spielt. „Es ist für eine normale Entwicklung von Knorpeln, Knochen und Muskeln verantwortlich“, erläutert Jennifer Schmidt.

In der nun veröffentlichten Studie hat die 25-jährige Doktorandin und Stipendiatin der Konrad-Adenauer-Stiftung Larven des Krallenfroschs untersucht, denen gezielt das „FOXN3“-Gen abgeschaltet wurde und diese mit unbehandelten Larven verglichen. „Unsere Untersuchungen mittels Mikro-Computertomographie zeigen, dass sich die Larven ohne intaktes ,FOXN3’-Gen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zunächst normal entwickeln.“ Dann aber verzögert sich die Entwicklung, sagt Jennifer Schmidt. „Die Tiere wachsen insgesamt langsamer.“ Vor allem aber entwickeln sich die Knorpel und Muskeln nicht korrekt. Es kommt zu Deformationen und Funktionseinschränkungen.

Allerdings: Nicht alle Knorpel und Muskeln sind von der Gen-Abschaltung betroffen. „Wir konnten zeigen, dass ,FOXN3’ vor allem die Entwicklung der Knorpel im Mund- und Kiemenbereich beeinflusst“, macht Prof. Olsson deutlich. Gerade diese Strukturen gehören zu den evolutionären Neuentwicklungen der Frösche, die anderen Amphibien fehlen. In ihrer Doktorarbeit möchte Jennifer Schmidt ihre Untersuchungen deshalb weiter fortsetzen. „Wir wollen die Embryonalentwicklung der Krallenfrösche mit der anderer Amphibien vergleichen“, sagt die Zoologin. Interessant sei es zu erfahren, inwieweit sich die genetische Kontrolle dieser Neuentwicklungen in der Evolution veränderte.

Original-Publikation:
Schmidt J, Schuff M, Olsson L: A role for FoxN3 in the development of cranial cartilages and muscles in Xenopus laevis (Amphibia: Anura: Pipidae) with special emphasis on the novel rostral cartilages. J Anat. 2010. doi: 10.1111/j.1469-7580.2010.01315.x.
Kontakt:
Dipl.-Biol. Jennifer Schmidt / Prof. Dr. Lennart Olsson
Institut für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie mit Phyletischem Museum der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Erbertstr. 1, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 949165; 03641 / 949160
E-Mail: jennifer.schmidt[at]uni-jena.de / lennart.olsson[at]uni-jena.de

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Ute Schönfelder Uni Jena

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