Einblick in die Regulation des Wasserhaushalts im Gehirn

Isolierte ependymale Zellen zeigen die Phosphorylierung von AQP4 (rot dargestellt) nach der Blockierung von GABAA-Rezeptoren. Die Zellkerne sind blau gefärbt.

Die Masse des menschlichen Gehirns besteht zu 80 Prozent aus Wasser. Umso wichtiger ist es, dass der Wasserhaushalt im Hirn ständig reguliert wird. Störungen bei der Regulation von Fließrichtung und Fließgeschwindigkeit des Wassers bilden die Ursache für Krankheitsbilder wie beispielsweise Hydrocephalus („Wasserkopf“).

Neurobiologen der Universität Heidelberg haben nun den Mechanismus entdeckt, der die Fließgeschwindigkeit und die Fließrichtung des Wassereinstroms zwischen Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit und Gehirnzellen reguliert. Dieser Mechanismus kann auch für die Behandlung von Hydrocephalus-Erkrankungen von großer Bedeutung sein. Die Forschungsergebnisse wurden im „Journal of Biological Chemistry“ veröffentlicht.

„Sowohl zu viel als auch zu wenig Wasser im Gehirn kann lebensbedrohlich werden: Der Wassertransport ist für die Erhaltung des Hirnvolumens und der Hirnfunktion essentiell, da er die Konzentration von Signalmolekülen im Gehirn beeinflusst“, erklärt Dr. Francesca Ciccolini, die eine Forschungsgruppe am Interdisziplinären Zentrum für Neurowissenschaften leitet. Das Wasser zirkuliert zwischen Blutgefäßen, der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (Cerebrospinalflüssigkeit) sowie innerhalb und außerhalb von Hirnzellen.

Es folgt dabei dem osmotischen Gefälle, dessen Hauptkomponenten Ionen wie beispielsweise Chloridionen sind. Die Fließgeschwindigkeit wird größtenteils durch das Vorhandensein von Wasserkanälen in der Zellmembran beeinflusst, den sogenannten Aquaporin-Kanalproteinen (AQP), die je nach Bedarf in die Zellmembran eingebaut werden. Im Allgemeinen führt eine Phosphorylierung der AQP-Kanalproteine – also das Anhängen einer Phosphatgruppe – zum Ausbau aus der Zellmembran und somit zum verminderten Ein- und Ausströmen von Wasser.

Die Forschungsgruppe von Francesca Ciccolini hat nun den Mechanismus entdeckt, der den Einbau eines bestimmten AQP-Kanalproteins in sogenannten ependymalen Gehirnzellen kontrolliert, die als Barriere zwischen Gehirn und Ventrikelsystem dienen. Dadurch wird die Fließgeschwindigkeit des Wassereinstroms zwischen Cerebrospinalflüssigkeit und Gehirnzellen reguliert.

Eine zentrale Rolle bei diesem Mechanismus spielen der Neurotransmitter Gamma-Aminobuttersäure (GABA) und die GABAA-Rezeptoren. „Die GABAA-Rezeptoren haben mit ihrer biologischen Rolle in der dämpfenden Regulierung neuronaler Aktivität eine große Bedeutung in der Medizin“, erklärt Francesca Ciccolini.

„Die Modulatoren von GABA-Rezeptoren werden gewöhnlich als Medikamente in einem großen Spektrum medizinischer Behandlungen eingesetzt, etwa zur Betäubung in der Anästhesie, zu Induzierung von Muskelerschlaffung, zur Verhinderung von Schlaganfällen, um Angst zu mindern und um den Symptomen eines Alkoholentzuges entgegenzuwirken. Deswegen zeigen unsere Ergebnisse auch das Risiko von Therapien, die Modulatoren von GABAA-Rezeptoren einsetzen und damit potentielle Nebenwirkungen auf die zugrundeliegende Regulation des Wasserhaushaltes im Gehirn haben.“

Die Wissenschaftler konnten zudem nachweisen, dass der neu entdeckte Mechanismus für die Beseitigung von überschüssiger Flüssigkeit aus dem Cerebrospinalraum wichtig ist und daher auch eine große Rolle bei der Behandlung von Hydrocephalus-Erkrankungen spielen kann. „Durch unsere Erkenntnisse ergeben sich neue Möglichkeiten, den Wasserhaushalt im menschlichen Gehirn gezielt zu regulieren“, erklärt Francesca Ciccolini. In künftigen Studien wollen die Wissenschaftler nun erforschen, ob dieser Mechanismus der AQP-Regulation auf weitere Gehirnregionen übertragen werden kann.

Originalveröffentlichung:
Y. Li, U. Schmidt-Edelkraut, F. Poetz, I. Oliva, C. Mandl, G. Hölzl-Wenig, K. Schönig, D. Bartsch, F. Ciccolini: γ-Aminobutyric A Receptor (GABAAR) Regulates Aquaporin 4 Expression in the Subependymal Zone: Relevance to Neural Precursors and Water Exchange. J Biol Chem. 2015 Feb 13;290(7):4343-55. doi: 10.1074/jbc.M114.618686.

Kontakt:
Dr. Francesca Ciccolini
Institut für Neurobiologie
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