Ein neuer Weg zur Bakterien-DNA

Roland Martzy im Labor TU Wien

Genetische Untersuchungen an Bakterien sind oft sehr wichtig – etwa, wenn man herausfinden möchte, ob ein bestimmter Bakterienstamm Gene hat, die ihn resistent gegen bestimmte Antibiotika machen. Die DNA aus Bakterien zu extrahieren war bisher allerdings eine schwierige Aufgabe, die Stunden in Anspruch nahm.

Die TU Wien und das Interuniversitäre Department für Agrarbiotechnologie (IFA) in Tulln, das von der Universität für Bodenkultur Wien, der TU Wien und der Universität für Veterinärmedizin Wien gemeinsam betrieben wird, haben nun eine neue Methode entwickelt, mit der das innerhalb weniger Minuten gelingt.

Entscheidend sind dabei zwei ionische Flüssigkeiten, die speziell für diesen Zweck ausgewählt wurden und auch bereits zum Patent angemeldet wurden. Nun wurde die neue Methode im Fachjournal „Nature Scientific Reports“ publiziert.

Widerstandsfähige Zellwände

„Wenn man an die DNA von Bakterien herankommen möchte, muss man zuerst einmal schaffen, ihre Zellwand zu öffnen“, sagt Georg Reischer vom Interuniversitären Kooperationszentrum für Wasser und Gesundheit (ICC Water&Health) an der TU Wien. „Das ist schwierig – denn die Zellwand von Bakterien ist schließlich genau dafür da, möglichst harten Bedingungen zu widerstehen.“

Normalerweise verwendet man spezielle Enzyme, die es nach einer gewissen Zeit schaffen, die Zellwand aufzuschließen. Dann tritt der Inhalt der Zelle aus und wird völlig aufgelöst, das Endprodukt kann dann aufgereinigt werden, um die DNA herauszuholen. Dieser Prozess kann allerdings Stunden dauern.

„Bei unserer Forschung setzten wir nicht auf Enzyme, sondern auf ionische Flüssigkeiten“, erklärt Georg Reischer. „Das sind organische Salze, die bei Raumtemperatur flüssig sind.“ Sie haben den großen Vorteil, DNA-Moleküle nicht zu zerstören.

Es gab bereits Studien, in denen gezeigt wurde, dass ionische Flüssigkeiten als Werkzeug verwendet werden können, um DNA aus Fleisch zu extrahieren. Fleischzellen haben allerdings nur eine vergleichsweise dünne Zellmembran.

Durch die stabile Zellwand eines Bakteriums an die die DNA im Inneren zu gelangen, ist eine viel schwierigere Aufgabe. Man unterscheidet zwischen gramnegativen und grampositiven Bakterien – die grampositiven sind besonders robust. Dabei sind sie für die Forschung besonders interessant: Viele wichtige Pathogene, die für den Menschen gefährlich sein können, sind grampositive Bakterien.

Zwei Volltreffer

„Wir haben also überlegt, welche ionischen Flüssigkeiten möglicherweise dafür geeignet sein könnten, die Zellwände aufzulösen“, sagt Koautorin Katharina Schröder. „Bei zahlreichen Versuchen haben wir dann tatsächlich zwei gefunden, denen dieses Kunststück gelingt: Cholin Hexanoat und 1-Ethyl-3-methylimidazolium Acetat.“

Diese beiden ionischen Flüssigkeiten können sowohl gramnegative als auch grampositive Bakterien aufschließen. Es genügt, die Bakterien fünf Minuten lang bei einer Temperatur vom ca. 60°C mit einer dieser Flüssigkeiten in Kontakt zu bringen. Die Polymere, aus denen die Zellwand aufgebaut ist, werden löslich gemacht, das Bakterium löst sich auf und es entsteht ein Substanzgemisch, das unversehrte DNA-Moleküle enthält.

„Man erspart sich dadurch komplizierte, zeitaufwändige Arbeitsschritte im Labor“, sagt Georg Reischer. „Das ist für viele Forschungsbereiche ein wichtiger Fortschritt, für Umweltforschung, für Lebensmittelsicherheit oder auch für die klinische Diagnostik.“ Die beiden Flüssigkeiten wurden mit Unterstützung der Forschungs- und Transfersupports der TU Wien bereits patentiert, das Forschungsteam von TU Wien und IFA Tulln ist zuversichtlich, dass sich die neue Methode nun international durchsetzen wird.

Dr. Georg Reischer
ICC Water&Health
Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften
Technische Universität Wien
Gumpendorfer Straße 1a, 1060 Wien
T +43-1-58801-166556
georg.reischer@tuwien.ac.at

R. Martzy et al., Simple lysis of bacterial cells for DNA-based diagnostics using hydrophilic ionic liquids, Nature Scientific Reports volume 9, 13994 (2019), https://www.nature.com/articles/s41598-019-50246-5

Weitere technische Details:

https://www.tuwien.at/fileadmin/Assets/dienstleister/forschungs-_und_transfersup…

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Dr. Florian Aigner Technische Universität Wien

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