Das Eierlegen war der Anfang vom Ende der Dinosaurier

Deshalb gab es keine kleinen Dinosaurier: Während die Säugetiere die verschiedenen ökologischen Nischen mit unterschiedlichen Arten besetzten (links), besetzten die Eier legenden Dinosaurier dieselben Nischen mit wenigen grossen Arten – in ihren jeweils unterschiedlichen Wachstumsstadien (rechts). Für kleinere und mittlere Arten war darum kein Nischenplatz vorhanden (ganz rechts). Das Fehlen von Arten im kleineren und mittleren Grössensegment wurde ihnen beim grossen Massenaussterben zum Verhängnis. Denn dieses löschte alle grossen Arten aus, und bei den Dinosauriern gab es nicht genug kleine Arten, die die frei gewordenen Nischen wieder hätten besetzen können. (Bild: Illustration: Universität Zürich; Jeanne Peter)<br>

Der Anfang vom Ende liegt in ihrer Fortpflanzungsstrategie: Daraus, dass sie Eier legen, erwächst den Dinosauriern gegenüber den lebend gebärenden Säugetieren ein entscheidender Nachteil. Warum und wie dies letztendlich zu ihrem Aussterben geführt hat, haben Daryl Codron und Marcus Clauss von der Universität Zürich zusammen mit Kollegen der Zoological Society of London erforscht und in der Zeitschrift «Biology Letters» veröffentlicht.

Das Ei des Dinosauriers und das winzige Dino-Baby

2'500-mal schwerer ist das vier Tonnen schwere Muttertier als ihr neugeschlüpftes Dinosaurierbaby. Im Vergleich dazu: Die gleich schwere Elefantenmutter wiegt lediglich etwa 22-mal so viel wie ihr Neugeborenes. Bei den grossen Arten der Säugetiere sind also bereits die Neugeborenen gross.
Der gigantische Grössenunterschied zwischen neugeschlüpften Dinosauriern und ihren Eltern beruht darauf, dass Eier nicht unbegrenzt grösser werden können: Denn grössere Eier brauchen eine dickere Schale, und weil durch diese Schale der Embryo auch mit Sauerstoff versorgt werden muss, stossen das Wachstum sowohl der Schale als auch des Eis irgendwann an ihre Grenzen. Somit können neugeschlüpfte Dinosaurierbabys nicht in gleicher Weise grösser sein, wie dies bei den Säugetieren grösserer Arten der Fall ist.

Viele Arten besetzen je eine Nische, und eine Art besetzt viele Nischen
Hinzu kommt, dass die neu geborenen Säugetiere dieselbe ökologische Nische wie ihre Eltern besetzen: Indem sie direkt von der Mutter mit Milch ernährt werden, nehmen sie kleineren Arten keine Nische weg. Ganz anders verhielt es sich damals bei den grossen Dinosauriern: Sie besetzten im Verlauf ihres Lebens nicht nur die eine Nische der Erwachsenen, sondern hatten deren viele zu durchlaufen – von den Nischen für Tiere mit einer Körpergrösse von ein paar Kilos über solche für zehn, hundert und tausend Kilo schwere Tiere, bis hin zu jenen, die von den ausgewachsenen Formen von über 30'000 Kilogramm besetzt waren.
Daryl Codron legt dar, was dies für die Artenvielfalt bedeutet: «Die Forschung geht davon aus, dass Tiere bestimmter Körpergrössen bestimmte Nischen besetzen. Bei den Dinosauriern dürfte dabei eine einzige Art einen Grossteil der ökologischen Nischen besetzt haben, während die Säugetiere diese durch zahlreiche, unterschiedlich grosse Arten belegen.» Entsprechend zeigen die Forschungsergebnisse, dass insbesondere Dinosaurier von kleiner und mittlerer Körpergrösse mit sehr viel weniger eigenen Arten vertreten waren, als dies bei den Säugetieren der Fall war – weil ihre Nischen von den Jungtieren der grösseren Arten besetzt wurden. «Ein Überblick über die Körpergrössen sämtlicher Dinosaurier-Arten, inklusive jener der Vögel, die ja auch Dinosaurier sind, lässt denn auch erkennen, dass nur wenige Arten existierten, deren Erwachsene zwischen zwei und sechzig Kilogramm wogen», präzisiert Codron. Und Marcus Clauss fasst die Folgen zusammen, die sich daraus ergeben und die die Forscher anhand von Computersimulationen aufzeigen: «Erstens: Diese Lücke an kleinen und mittelgrossen Arten stellt sich aufgrund des Wettbewerbs zwischen den Dinosauriern untereinander ein; bei den Säugetieren kommt so eine Lücke nicht vor. Zweitens: In der Gegenwart grosser Dinosaurier sowie der permanent präsenten Konkurrenz durch deren Jungtiere entwickeln Säugetiere selber keine grossen Arten.» Die dritte Erkenntnis, welche die Computersimulation veranschaulicht, betrifft die kleinen Dinosaurier: Ihnen erwächst Konkurrenz sowohl aus den eigenen Reihen wie auch durch die kleinen Säugetiere. Und dieser verschärfte Druck bringt die kleinen Dinosaurier entweder an den Rand des Aussterbens oder zwingt sie zur Eroberung neuer Nischen. Mit Letzterem haben sie sich ihr Überleben bis heute gesichert, wie Codron schlussfolgert, denn «damals mussten sie als Vögel in die Lüfte gehen.»

Die Katastrophe: Die Kleinen gehen in die Luft, und die Grossen sterben aus

Hundertfünfzig Millionen Jahre lang blieb die Vorherrschaft der Dinosaurier als grösste Landtiere unangetastet. Das grosse Massenaussterben an der Kreide-Tertiär-Grenze jedoch brachte sie in Bedrängnis, denn die Artenlücke im mittleren Grössenbereich wurde ihnen zum Verhängnis. Damals starben gemäss dem gegenwärtigen Wissensstand alle grösseren Tiere mit einem Körpergewicht ab ca. zehn bis fünfundzwanzig Kilo aus. Säugetiere wiesen viele Arten unterhalb dieses Schwellenwertes auf, aus denen sich nach der Katastrophe grössere Arten entwickeln und die leergefegten Nischen wieder besetzen konnten. Bei den Dinosauriern aber fehlten die Arten, welche die frei gewordenen Nischen neu hätten besetzen können. Das war ihr Ende.

Literatur:
Daryl Codron, Chris Carbone, Dennis W. H. Müller, and Marcus Clauss. Ontogenetic niche shifts in dinosaurs influenced size, diversity and extinction in terrestrial vertebrates. Biology Letters. April 18, 2012. doi:10.1098/rsbl.2012.0240

Kontakte:

Dr. Marcus Clauss
Klinik für Zoo-, Heim- und Wildtiere, Vetsuisse-Fakultät
Universität Zürich
Tel. +41 44 635 83 76
E-Mail: mclauss@vetclinics.uzh.ch

Dr. Daryl Codron
Klinik für Zoo-, Heim- und Wildtiere, Vetsuisse-Fakultät
Universität Zürich
Tel. +27 83 391 32 22
E-Mail: dcodron@vetclinics.uzh.ch

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