Die Technik des Meisters

Plumbonacrit in Rembrandts Impasto. (c) Wiley-VCH

Rembrandt van Rijn spielte in seinen Gemälden nicht nur virtuos mit Licht und Schatten, sondern erzeugte auch einen Eindruck von Plastizität durch seine Impasto-Technik. Diese Impasto-Schichten haben jetzt Wissenschaftler auf ihre chemische Zusammensetzung hin analysiert.

Wie die in der Zeitschrift Angewandte Chemie veröffentlichte Arbeit zeigt, enthält das Impasto überraschenderweise das sonst nicht anzutreffende Bleimineral Plumbonacrit. Das weist auf eine besondere Rezeptur im Farbschichtaufbau hin.

„Vor der Studie wussten wir über die Impastos nur, dass für ihren Aufbau Bleiweiß verwendet wurde“, sagt Victor Gonzalez von der Technischen Universität Delft (Niederlande), der Hauptautor der internationalen Studie, die in Kollaboration mit dem Rijksmuseum Amsterdam, dem Institut de Recherche de Chimie Paris sowie französischen und niederländischen Universitäten ausgeführt wurde.

„Nach welcher Rezeptur Rembrandt genau seine Impastos gefertigt hatte, war aber nicht bekannt“, fügt er hinzu.

Seit der Antike wird mit Bleiweiß gemalt, und selbst heute gilt das Pigment als viel besser als die meisten anderen, deutlich weniger giftigen Weißpigmente.

Produziert wurde das Bleiweiß zu Rembrandts Zeiten durch gezielte Korrosion von metallischem Blei. Man erhält ein glänzend weißes, mischbares und schnelltrocknendes Pulver aus den Bleimineralien Cerussit (Bleicarbonat, PbCO3) und Hydrocerussit (Pb3(CO3)2¢erdot;(OH)2).

Für die röntgenspektroskopische Analyse entnahmen die Wissenschaftler winzige Mengen aus der Impasto-Farbschicht von Rembrandts „Bildnis des Marten Soolmans“ von 1634, „Susanna“ (1636) und „Batsheba“ (1654) und untersuchten die Proben an der Europäischen Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble (Frankreich) durch eine Kombination von Synchrotron-Röntgenbeugungstechniken.

Dabei entdeckten sie die Bleimineralien Hydrocerussit und Cerussit und – überraschenderweise – Plumbonacrit. „Plumbonacrit ist in historischen Farbschichten extrem selten“, meinten die Autoren, und: „In einem Fall, als es gefunden wurde, handelte es sich wohl eher um ein Abbauprodukt der roten Mennige in einem Gemälde von Van Gogh“, so die Autoren.

Das Plumbonacrit identifizierten die Forscher nur in der Impastoschicht, nicht in den unterliegenden Farbschichten. Fast gar nicht vorhanden im Impasto war hingegen das andere Bleipigment Cerussit. Warum hatte das Impasto andere Bleibestandteile als die übrige Farbe, obwohl doch vermutlich die gleichen Pigmente benutzt worden waren?

Hinweise brachte ein Blick auf die Chemie der Bleikomponenten: Plumbonacrit ist nur in alkalischer (basischer) Umgebung stabil. Das Bleiweiß wird jedoch in saurer Umgebung produziert, sodass sich jegliches entstehende Plumbonacrit sofort in (Hydro-)Cerussit umwandelt. Stabil und basisch ist dagegen Bleioxid (PbO).

Weil PbO damals offenbar gelegentlich als Additiv den Bindemitteln zugegeben wurde, vermuten die Autoren, dass Rembrandt sein Impasto mit PbO herstellte. Das würde die jetzt gefundenen Weißpigmente erklären: In dem durch das PbO alkalisch gemachten Bindemittel müssten sich die Bleicarbonate wieder in Plumbonacrit umwandeln.

Als Nächstes wollen die Autoren weitere Rembrandt-Gemälde untersuchen, um zu erforschen, ob er immer diese Impasto-Rezeptur verwendete. Und aus kunsthistorischer Sicht wäre es wichtig zu wissen, ob auch andere Maler mit einer solchen Rezeptur arbeiteten.

Angewandte Chemie: Presseinfo 04/2019

Autor: Victor Gonzalez, Technische Universiteit Delft (Netherlands), mailto:V.M.J.M.Gonzalez@tudelft.nl

Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69451 Weinheim, Germany

https://doi.org/10.1002/ange.201813105

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Dr. Karin J. Schmitz Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V.

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