Designte Proteine gegen Muskelschwund

Cross section of a muscle biopsy: Blood vessels (red) between the muscle fibers and laminin-α2 (green), which surrounds each muscle fiber. Universität Basel, Biozentrum

Hinter Muskelschwund verbergen sich eine Vielzahl von verschiedenen Muskelerkrankungen, die durch defekte Erbanlagen ausgelöst werden. Bis heute gibt es keine Medikamente, die das Fortschreiten der Erkrankungen aufhalten und die Lebenserwartung erhöhen können.

Die Forscher unter der Leitung von Prof. Markus Rüegg haben in ihrer Studie eine Form des angeborenen Muskelschwundes, die sogenannte kongenitale Muskeldystrophie, untersucht. Im Tiermodell konnten sie nun erstmals zeigen, dass zwei von den Forschern designte Proteine nicht nur die Muskelkraft und das Körpergewicht der erkrankten Tiere verbesserten, sondern auch deren Lebensdauer wesentlich verlängerten.

Schwere Beeinträchtigungen durch angeborene Muskelschwäche

Die kongenitale Muskeldystrophie ist eine seltene, aber schwere Form des Muskelschwundes. Sie tritt nach der Geburt oder im Säuglingsalter auf. «Die mit dieser Krankheit geborenen Kinder werden auch als ‹schlaffe Kinder› bezeichnet, da ihre Muskeln keine Spannung haben und kraftlos sind», sagt Judith Reinhard, Erstautorin der Studie.

«Die Erkrankung verschlimmert sich mit zunehmendem Alter, denn die Muskeln bauen sich ab.» Die betroffenen Kinder lernen oft nie selbständig zu gehen oder verlieren diese Fähigkeit mit zunehmendem Alter. Auch die Atemmuskulatur ist betroffen. Die Lebenserwartung ist sehr gering, viele sterben bevor sie das Erwachsenenalter erreichen.

Defektes Gen – defektes Zellskelett

Diese Form der Muskelschwäche beruht auf einem genetischen Defekt im Laminin-α2. Dieses ist ein zentraler Bestandteil des äusseren Zellskeletts und verbindet dieses mit dem inneren Teil der Muskelfaser und sorgt so für den Zusammenhalt des Gewebes. Dementsprechend ist der Muskel bei Gendefekten im Laminin-α2 äusserst instabil und bereits eine normale Belastung führt zu Entzündungen, Schäden und schliesslich zum Abbau der Muskelfasern.

In diesen kranken Muskeln, die kein Laminin-α2 herstellen können, übernimmt ein anderes Laminin dessen Aufgaben. Das als Laminin-α4 bezeichnete Protein führt jedoch diese Aufgabe weitaus schlechter aus, da es nicht sehr gut in das Zellskelett eingebaut ist.

Proteine verankern Zellskelett und stabilisieren Muskelfasern

Die Forscher haben nun zwei Proteine hergestellt, die das Laminin-α4 besser in der Muskelzelle und auch untereinander verbinden und verankern. «Mithilfe dieser Verbindungsstücke konnten wir die Muskelfasern stabilisieren», erklärt Rüegg. «Bei Tieren mit einem Laminin-α2-Defekt verbesserten sich die Muskelspannung und -kraft und auch das Körpergewicht deutlich. Wir waren besonders erfreut zu sehen, dass die mit den Linker-Proteinen behandelten Tiere eine nahezu normale Lebenserwartung haben. Einige wurden sogar älter als ihre gesunden Geschwister.»

Darüber hinaus untersuchten die Forscher Muskelbiopsien von Patienten mit kongenitaler Muskeldystrophie. Hier zeigten sich ganz ähnliche strukturelle Defekte und in diesen kranken Muskelfasern wurde auch Laminin-α4 anstelle von Laminin-α2 gefunden.

«Die beiden designten Linker-Proteine könnte man in Zukunft möglicherweise gentherapeutisch zur Behandlung der kongenitalen Muskeldystrophie einsetzen», sagt Rüegg. «Unsere Studie ist ein Beispiel dafür, dass sich dank des Verständnisses einer Krankheit auf molekularer und zellulärer Ebene, neue Lösungsmöglichkeiten ergeben, wie man der Krankheit therapeutisch entgegentreten kann. Uns interessiert nun, ob die Linker-Proteine auch bei fortgeschrittenen Stadien der kongenitaler Muskeldystrophie wirken und sowohl die Muskelfunktion als auch die Lebenserwartung verbessern.»

Originalartikel

Judith R. Reinhard, Shuo Lin, Karen K. McKee, Sarina Meinen, Stephanie C. Crosson, Maurizio Sury, Samantha Hobbs, Geraldine Maier, Peter D. Yurchenco and Markus A. Rüegg.
Linker proteins restore basement membrane and correct LAMA2-related muscular dystrophy in mice.
Science Translational Medicine, published online 28 June 2017

Weitere Auskünfte

Markus Rüegg, Universität Basel, Biozentrum, Tel. +41 61 207 22 23, E-Mail: markus-a.ruegg@unibas.ch

Media Contact

Katrin Bühler Universität Basel

Weitere Informationen:

http://www.unibas.ch

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