Der Himmel über Berlin: Fledermäuse bevorzugen dunkle Gebiete in der hell erleuchteten Stadt

Die Gebiete der Stadt, die die Fledermäuse für das Pendeln zwischen Tag- und Nachtquartieren bevorzugen Voigt & Gras/Leibniz-IZW

In einer aktuellen Untersuchung haben WissenschaftlerInnen des Leibniz-IZW gemeinsam mit deutschen und internationalen KollegInnen Fledermäuse der Art Großer Abendsegler (Nyctalus noctula) mit Mini-GPS-Sendern ausgestattet und ihre Flugbahnen am Himmel über Berlin aufgezeichnet.

Sie zeigen, dass die Großen Abendsegler hell erleuchtete, bebaute Flächen meiden. Dunkle Korridore wie Stadtforste, Parks oder Wasserläufe sind hingegen von großer Bedeutung, um Nahrungsgebiete und Quartierplätze zu erreichen.

Das internationale Forscherteam um Experten des Leibniz-IZW untersuchte, wie Große Abendsegler im Großraum Berlin auf verschiedene Merkmale der Stadtlandschaft, insbesondere auf nächtliches künstliches Licht reagieren. Dabei interessierte sie besonders, ob die Fledermäuse künstlich beleuchtete Gebiete zum Pendeln und Futtersuchen nutzen oder ob sie auf dunkle Lebensräume ausweichen.

„Wir stellten fest, dass Große Abendsegler teilweise in Gebieten mit künstlichem Licht nach Nahrung suchen, vor allem an Wasserläufen. Insgesamt bevorzugen sie jedoch eher die dunklen Bereiche der Stadt“, sagt Christian Voigt, Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie am Leibniz-IZW und Erstautor des Aufsatzes. Die Fledermäuse jagen jedoch nur dann an Laternen, wenn Gewässer oder Gebiete mit hoher Vegetationsdecke in der Nähe liegen.

Voigt und seine KollegInnen vermuten, dass dort besonders viele Insekten vorkommen, die von der Beleuchtung angelockt werden: „Gerade in Gewässernähe findet man Schwärme von Insekten, die um Laternen herumschwirren, nachdem sie sich vom Larvenstadium zu fliegenden, adulten Insekten entwickelt haben.

Dies lockt natürlich auch Fledermäuse an, die dieses reiche Nahrungsbuffet gerne ausnutzen.“ Im Gegensatz dazu meiden Große Abendsegler künstliches Licht, wenn sie zwischen verschiedenen Nahrungsgebieten und ihren Schlafplätzen pendeln. Zum Pendeln nutzen sie bevorzugt dunkle Korridore wie Waldgebiete, unbeleuchtete Parkanlagen oder Gewässer. Einige fliegen sogar aus der Stadt hinaus in das ländliche Umland, um dann vor Einbruch der Abenddämmerung wieder zurückzukehren.

Für ihre Untersuchungen statteten die WissenschaftlerInnen 20 Große Abendsegler mit Miniatur-GPS-Sendern aus. Da aus früheren Forschungsarbeiten bereits bekannt ist, dass diese Fledermausart kurz vor Sonnenuntergang auf Nahrungssuche geht, begannen die ForscherInnen jeweils eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang, die GPS-Positionen der Tiere aufzuzeichnen und wiederholten dies alle 30 Sekunden bis zum Einsetzen der Abenddämmerung.

Anhand der Fluggeschwindigkeit und Wendewinkel zwischen aufeinanderfolgenden GPS-Positionen unterteilten sie die Flüge in Pendelflüge und Jagdflüge. Wenn die Fledermäuse zwischen Gebieten pendeln, fliegen sie sehr schnell und nahezu geradlinig mit nur kleinen Wendewinkeln. Jagen sie nach Nahrung, fliegen sie langsamer und mit wesentlich stärkeren Kurven und Wendungen. So konnten die WissenschaftlerInnen verfolgen, welche Gebiete die Fledermäuse zum Pendeln und welche zur Nahrungssuche nutzen.

„Unsere Untersuchungen zeigen, dass große Teile von Berlin für Große Abendsegler und vermutlich auch andere Fledermäuse aufgrund von Lichtverschmutzung und hohem Versiegelungsgrad ungeeignet sind. Ihre bevorzugten Lebensräume liegen oftmals isoliert zwischen stark bebauten und bei Nacht erleuchteten Gebieten.

Dunkle Korridore wie Wälder und Forste, unbeleuchtete Landschaftsparks und Wasserläufe sind von großer Bedeutung, da sie den Tieren erlauben isolierte Nahrungsgebiete und Schlafplätze zu erreichen. Die zunehmende Verstädterung und damit einhergehende Lichtverschmutzung schränkt die Lebensräume der Fledermäuse allerdings mehr und mehr ein“, betont Voigt.

Die Untersuchung liefert wichtige Erkenntnisse darüber, wie Große Abendsegler in Stadtlebensräumen und insbesondere mit künstlichem Licht zurechtkommen. Da Fledermäuse aufgrund ihres hohen Schutzstatus bei Planungsprozessen von Relevanz sind, können die Ergebnisse dazu beitragen, wirksame Managementempfehlungen zum Schutz der urbanen Biodiversität auszusprechen. „Schutzmaßnahmen sollten Ansätze umfassen, die künstliches Licht berücksichtigen, um das Netzwerk dunkler Lebensräume für Fledermäuse und andere nachtaktive Arten in Städten zu schützen“, empfiehlt Voigt.

Visualisierungen

Drei Visualisierungen verdeutlichen die Forschungsergebnisse. Sie beruhen auf einem Astrofoto (eine Fotografie aus dem Weltraum) von Berlin bei Nacht, auf dem die hell erleuchteten sowie die dunklen Bereiche der Stadt erkennbar sind. In zwei weiteren Bildern ist dieses Bild mit den Forschungsergebnissen überlagert: Im ersten Fall zeigen die farbig markierten Flächen (blau) die Gebiete der Stadt, die die Fledermäuse für die Jagd präferieren. Im zweiten Fall zeigen die farbig markierten Flächen (rot) die präferierten Gebiete der Stadt, die die Fledermäuse für das Pendeln zwischen Tag- und Nachtquartieren bevorzugen. In beiden Fällen zeigen sich die Präferenzen für Parkanlagen und Wasserwege (Tiergarten, Spree, Landwehrkanal, Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal), während die hellsten Stellen der Stadt (Alexanderplatz, Potsdamer Platz, Breitscheidplatz, Flughafen Tegel) gemieden werden.

Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW)

PD Dr. Christian Voigt
Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie
Tel. 030 5168-511
E-Mail voigt@izw-berlin.de

Jan Zwilling
Wissenschaftskommunikation
Tel. 030 5168-121
E-Mail zwilling@izw-berlin.de

Movement responses of common noctule bats to the illuminated urban landscape
Voigt CC, Scholl JM, Bauer J, Teige T, Yovel Y, Kramer-Schadt S, Gras P, Landscape Ecology (2019).
doi:10.1007/s10980-019-00942-4

https://www.fv-berlin.de/infos-fuer/medien-und-oeffentlichkeit/news/news/der-him… Astrofoto und Visualisierungen stehen auf der FVB-Website zur Verfügung

Media Contact

Dr. Natalia Stolyarchuk Forschungsverbund Berlin e.V.

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