Der Fisch mit der Augenlampe

Manche Tiere erweitern ihre Sinne, indem sie aktiv Signale aussenden und aus den Reflexionen naher Objekte ihre Umgebung oder zum Beispiel Beutetiere ausmachen – gut untersuchte Beispiele sind die Echoortung mit Ultraschalllauten bei Fledermäusen und Delfinen sowie die Elektroortung bei manchen Fischen.

Die Lichtortung, also das aktive Aussenden von Lichtstrahlen und die Auswertung der Reflexion, ist bisher nur von Tiefseefischen bekannt, die chemisch erzeugtes Licht als Suchscheinwerfer im Dauerdunkel der tiefen Ozeane nutzen. Nun hat Professor Nico Michiels vom Institut für Evolution und Ökologie der Universität Tübingen gemeinsam mit seinem Team Hinweise auf den Einsatz der aktiven Lichtortung bei tagaktiven Fischen entdeckt.

Die Forscher konnten erstmals nachweisen, dass Fische senkrecht einfallendes Sonnenlicht kontrolliert und in Anpassung an die Umgebung aktiv seitwärts in Augenblitze umlenken. Die Forschungsergebnisse werden in der Fachzeitschrift Royal Society Open Science veröffentlicht.

Bei seinen Experimenten arbeitete das Forscherteam mit dem vier Zentimeter langen Gelben Spitzkopf-Schleimfisch (Tripterygion delaisi), der im Atlantik und im Mittelmeer vorkommt. Er ernährt sich hauptsächlich von weitgehend durchsichtigen, weniger als einen Millimeter großen Kleinkrebsen. Während der Mensch eine Taschenlampe benötigt, um mit ihrem Lichtkegel dunkle Winkel auszuleuchten, kann der Schleimfisch das Sonnenlicht für seine Zwecke anpassen und in dunkle Bereiche umlenken.

„Die anatomischen Voraussetzungen dafür finden sich bei vielen tagaktiven Fischen mit einer großen Iris“, sagt Michiels. „Doch am Schleimfisch haben wir zum ersten Mal untersucht, wie der Mechanismus für die aktive Lichtortung funktionieren könnte.“ Die Schleimfische leben in rund zehn Metern Tiefe, wohin das Sonnenlicht durchdringt. „Es wird von den seitlich vorstehenden Augenlinsen auf die untere Regenbogenhaut fokussiert, auf der sich rot fluoreszierende und blau reflektierende Bereiche finden“, erklärt der Wissenschaftler. „Durch Kippen und Drehen des Auges kann der Fisch den Lichtstrahl lenken und aktiv entweder rote oder blaue Augenblitze abgeben.“

Zwei Blitzfarben zur Auswahl

Der Fisch kann so die ersten Zentimeter seiner direkten Umgebung ausleuchten. „Voraussetzung für die Lichtortung ist, dass die Fische die Augenblitze kontrollieren können, um selbst nicht zu Beute zu werden“, sagt Michiels. Um das zu überprüfen, haben sich die Forscher zunutze gemacht, dass der Gelbe Spitzkopf-Schleimfisch zwei Blitzfarben zur Auswahl hat.

„Tatsächlich haben wir festgestellt, dass die Fische die Farbe der Augenblitze an die Umgebung anpassen. Bei rotem Hintergrund senden sie blaue Augenblitze aus – und umgekehrt.“ Auch nehme die Frequenz der Augenblitze zu, wenn Kleinkrebse als mögliche Beute verfügbar sind. „Wir konnten jedoch nicht feststellen, dass hungrige Fische mehr Augenblitze erzeugen als satte“, so der Forscher. Daher müsse nun in weiteren Experimenten geklärt werden, ob die Schleimfische ihre Fähigkeiten für die aktive Lichtortung zum Auffinden von Beute nutzen oder möglicherweise für andere Zwecke. „Wir stehen auf diesem Forschungsgebiet noch ganz am Anfang. Die Fähigkeit zur Lichtortung wurde bisher kaum beachtet“, erklärt Michiels.

Publikation:
Nico K. Michiels, Victoria C. Seeburger, Nadine Kalb, Melissa G. Meadows, Nils Anthes, Amalia A. Mailli and Colin B. Jack: Controlled iris radiance in a diurnal fish looking at prey. Royal Society Open Science, DOI 10.1098/rsos.170838.

Kontakt:
Prof. Dr. Nico Michiels
Universität Tübingen
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Evolutionsökologie der Tiere
Telefon +49 7071 29-74649
nico.michiels[at]uni-tuebingen.de

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Dr. Karl Guido Rijkhoek idw - Informationsdienst Wissenschaft

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