Dauerhafte Winterstarre „konserviert“ den Feuersalamander und sein Kurzzeitgedächtnis

Nicht nur die Amphibien selbst, sondern auch ihr Kurzzeitgedächtnis überdauert durch die Winterstarre die kalten Monate. Johannes Hloch

Der Feuersalamander, Salamandra salamandra, gehört zu den Amphibien und damit den kaltblütigen Lebewesen. Anders als die warmblütigen Säugetiere verfallen diese Tiere über die kalten Wintermonate in eine lange und dauerhafte Winterstarre. Erst die wärmeren Temperaturen holen sie wieder aus diesem Schockzustand.

Diese dauerhafte Winterruhe scheint nach neuen Erkenntnissen nicht nur eine körperliche Überlebensstrategie für die rauen Wintermonate zu sein, sondern auch eine mentale.
Im Gegensatz zu den meisten Säugetieren bleiben Kaltblütern nämlich Eindrücke und Erinnerungen aus der Zeit vor der Winterstarre im Kurzzeitgedächtnis haften.

Dieses erstaunliche Ergebnis zeigte nun ein Forschungsteam der Vetmeduni Vienna, der Universität Wien und der University of Lincoln durch einen speziellen Test mit „starren“ und aktiven Salamandern.

Kurzzeitgedächtnis von Säugetieren verblasst über die Winterruhe

„Bei Säugetieren ist bekannt, dass sich die Gehirnaktivität während der Winterruhe deutlich reduziert. Dadurch kann es zum Verlust von Erinnerungen an Erfahrungen oder Eindrücken kurz vor der Winterruhe bei diesen Tieren kommen“, erklärt Ludwig Huber, Leiter der Vergleichenden Kognitionsforschung am Messerli Forschungsinstitut der Vetmeduni Vienna. Bei kaltblütigen Lebewesen war dagegen bislang unbekannt, ob und wie sich das Überdauern der kalten Jahreszeit in Kältestarre auf das Erinnerungsvermögen auswirkt.

Gemeinsam mit Anna Wilkinson von der britischen University of Lincoln gelang es nun erstmals die Auswirkungen der dauerhaften Winterstarre beim Salamander auszuwerten. Auch nach der Aktivitätspause waren die Tiere in der Lage, ohne Probleme Futter in einem Versuchsaufbau zu finden.

Salamander erinnert sich trotz Winterstarre

Die ForscherInnen trainierten die kaltblütigen Lebewesen dafür mit einem sogenannten T-Labyrinth. Die Tiere mussten sich dabei den Weg merken, wie sie an eine Futtergabe kommen konnten. Anschließend wurde eine Hälfte der Salamander in Kältestarre versetzt, die andere blieb dagegen aktiv. Bei der Wiederholung des Experiments konnten dennoch beide Gruppen gleichermaßen die Aufgabe lösen.
„Wir achteten darauf, dass die Amphibien nicht durch den Geruch des Futters oder andere Indikationsfaktoren die Aufgabe lösen konnten“, sagt Huber.

„Beide Gruppen fanden trotzdem genauso schnell den Weg durch das Labyrinth“. Das Ergebnis bestärkte das Forschungsteam, dass sich die Salamander wirklich an den Weg erinnern konnten. „Für diese Tiere sind derart abgespeicherte Erinnerungen überlebenswichtig. Mit ihnen können sie sich sofort nach der Winterstarre an bestimmte Umweltbedingungen wie Futterplätze oder das Beutegebiet von Raubtieren erinnern“, so Wilkinson.

Form der Winterruhe scheint entscheidend zu sein

Die KognitionsforscherInnen gehen davon aus, dass der Unterschied zwischen Säugetieren und Amphibien entweder durch verschiedene Lern- und Merkmuster entsteht oder die Art ihrer Winterruhe entscheidend ist. Säugetiere wachen während der Winterruhe immer wieder auf, sie haben also Wachphasen zwischen den langen Schlafphasen. Amphibien verbleiben dagegen in der Winterstarre, bis wärmere Temperaturen dafür sorgen, dass sie wieder aktiv werden. „Die dauerhafte Phase könnte sich auf den Erhalt des Kurzzeitgedächtnisses auswirken. Es würden damit quasi alle Körperfunktionen dauerhaft konserviert“, sagt Huber.

Service:
Der Artikel „The effect of brumation on memory retention“ von Anna Wilkinson, Anne Hloch, Julia Mueller-Paul und Ludwig Huber wurde in der Fachzeitschrift Scientific Reports publiziert.

Über das Messerli Forschungsinstitut
Das Messerli Forschungsinstitut wurde 2010 mit der Unterstützung der Messerli-Stiftung (Schweiz) unter Federführung der Veterinärmedizinischen Universität Wien in Kooperation mit der Medizinischen Universität Wien und der Universität Wien gegründet. Es widmet sich der Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung und ihrer Grundlagen in den Bereichen Ethik, vergleichende Medizin sowie Kognition und Verhalten von Tieren. Dabei zeichnet es sich durch einen breiten interdisziplinären Zugang (Biologie, Humanmedizin, Veterinärmedizin, Philosophie, Psychologie, Rechtswissenschaft) und eine starke internationale Ausrichtung aus. http://www.vetmeduni.ac.at/messerli

Über die Veterinärmedizinische Universität Wien
Die Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna) ist eine der führenden veterinärmedizinischen, akademischen Bildungs- und Forschungsstätten Europas. Ihr Hauptaugenmerk gilt den Forschungsbereichen Tiergesundheit, Lebensmittelsicherheit, Tierhaltung und Tierschutz sowie den biomedizinischen Grundlagen. Die Vetmeduni Vienna beschäftigt 1.300 MitarbeiterInnen und bildet zurzeit 2.300 Studierende aus. Der Campus in Wien Floridsdorf verfügt über fünf Universitätskliniken und zahlreiche Forschungseinrichtungen. Zwei Forschungsinstitute am Wiener Wilhelminenberg sowie ein Lehr- und Forschungsgut in Niederösterreich gehören ebenfalls zur Vetmeduni Vienna. http://www.vetmeduni.ac.at

Wissenschaftlicher Kontakt:
Univ.-Prof., Dr. Ludwig Huber
Messerli Forschungsinstitut, Leiter Vergleichende Kognitionsforschung
Veterinärmedizinische Universität Wien,
T +43 1 25077 2680
ludwig.huber@vetmeduni.ac.at

Aussender:
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Wissenschaftskommunikation / Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation
Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna)
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