Chemische Evolution eines Bakteriengenoms gelungen – Internationales Team tauscht Baustein der DNS

Die Ergebnisse wurden unter dem Titel „Chemical Evolution of a Bacterium’s Genome“ in der jüngsten Ausgabe des Fachmagazins „Angewandte Chemie – International Edition“ veröffentlicht. Bei dem ausgetauschten Baustein handelt es sich um eine der vier Basen, aus denen die Trägerin der Erbinformation aller lebenden Zellen kodiert ist, die Desoxyribonukleinsäure (DNS).

Die Wissenschaftler erzeugten ein Bakterium, bei dem die drei Basen Adenin (A), Cytosin (C) und Guanin (G) erhalten blieben, der vierte Baustein Thymin (T) jedoch durch einen synthetischen, für andere Organismen giftigen Baustein, 5-Chloruracil () ausgetauscht wurde.

An den von Rupert Mutzel (Institut für Biologie der Freien Universität Berlin) und Philippe Marlière (Heurisko USA Inc.) koordinierten Arbeiten waren Wissenschaftler des französischen Commissariat à l’énergie atomique et aux énergies alternatives (CEA) und der Katholieke Universiteit Leuven (Belgien) beteiligt. Schlüssel für das Experiment war ein von Mutzel und Marlière entwickeltes Verfahren zur experimentellen Evolution von Organismen unter strikt kontrollierten und hoch selektiven Bedingungen. Dabei wurden große Populationen von Zellen über viele Generationen in Gegenwart von gerade noch tolerierten Mengen einer toxischen Substanz – hier 5-Chloruracil – gezüchtet.

Die Konzentration der Substanz wurde automatisch immer dann erhöht, wenn genetische Varianten auftauchten, die größere Mengen davon tolerierten. Mit diesem Verfahren wurden Escherichia-coli-Bakterien, die gentechnisch so verändert waren, dass sie die natürliche Base Thymin nicht mehr herstellen konnten im Lauf von etwa 1000 Generationen daran angepasst, als Ersatz für Thymin ausschließlich Chloruracil zu verwenden. Wie die anschließende Analyse der evolvierten Genome zeigte, kam es während des Anpassungsprozesses zu vielfältigen Veränderungen in der DNS der Bakterien. Welchen Beitrag einzelne dieser Mutationen zur Anpassung an das Chlorderivat liefern, soll in Folgearbeiten untersucht werden.

Von Eingriffen in die grundlegende Chemie lebender Systeme erhoffen sich die Wissenschaftler neue Erkenntnisse für die Grundlagenforschung. Derzeit werden Chancen und Risiken der „synthetischen Biologie“ lebhaft diskutiert. Diese junge Disziplin in den Lebenswissenschaften setzt sich zum Ziel, nicht in der Natur vorkommende Organismen zu erzeugen, deren Stoffwechsel zum Beispiel für die Erschließung alternativer Energiequellen oder die Herstellung von Wirkstoffen angepasst ist. Eine absichtliche oder unabsichtliche Freisetzung solcher synthetischer Organismen könnte – ähnlich wie es bei gentechnisch veränderten Organismen befürchtet wird – natürliche Lebensformen gefährden, sei es durch direkte Konkurrenz oder durch Übertragung von „synthetischem“ Erbmaterial. Wie bei der Nukleartechnologie wird auch diese neue biologische Technologie der physikalischen Eindämmung keinen hundertprozentigen Schutz vor Freisetzung bieten können. Dagegen könnten synthetische Organismen, die wie die jetzt beschriebenen experimentell evolvierten Bakterien zu ihrer Vermehrung auf Substanzen angewiesen sind, die in der natürlichen Umwelt nicht vorkommen oder deren Erbmaterial natürlich nicht vorkommende Bausteine enthält, nicht mit natürlichen Organismen konkurrieren. Sie könnten auch keine Gene mit diesen austauschen, sie würden in Abwesenheit der nicht in der Natur vorkommenden Substanzen, der Xenobiotika, zugrunde gehen.

Weitere Informationen
Prof. Dr. Rupert Mutzel, Institut für Biologie der Freien Universität Berlin, Telefon 030 / 838-53116, E Mail: rmutzel@zedat.fu-berlin.de

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