Chemie im Inneren von Aerosolpartikeln sorgt für bessere Smogvorhersagen

Über der amerikanischen Metropole Los Angeles liegt eine dicke Smogschicht.<br>Steve Buss, aus flickr<br>

Los Angeles, London, Neu-Delhi oder Peking – alle sind Megastädte, in denen Millionen von Menschen unter Atembeschwerden und brennenden Augen leiden. Ursache ist Smog. Er ist oft so dick, dass die Spitzen der Hochhäuser verschwinden und man die Sonne tagelang nicht sieht.

Smog – ein Gemisch aus Partikeln und gasförmigen Schadstoffen wie Ozon – bildet sich unter bestimmten Wetterbedingungen aufgrund von Autoverkehr, Industrie oder der Verbrennung von Biomasse wie Kohle und Holz. Hauptbestandteile von städtischem Smog sind die so genannten sekundären organischen Aerosole (SOA). Sie entstehen, indem Kohlenstoffkomponenten, wie sie beispielsweise bei der Verbrennung in die Luft entweichen, durch Ozon und Hydroxylradikale oxidiert werden.

Über die Bildung der Smogpartikel ist allerdings noch recht wenig bekannt. Bisher war es schwierig, die Größe und Masse der Partikel korrekt vorherzusagen. Diese Angaben sind jedoch wichtig, da sie das Ausmaß von schädlichen Gesundheitseffekten und die Visibilität der Luft bestimmen – wie schlecht man also bei Smog sieht.

Einen besseren Einblick in den Smog liefert nun ein Team um den Max-Planck-Forscher Manabu Shiraiwa. „Bisher hat man angenommen, dass nur Gasreaktionen auf der Oberfläche der Partikel für die Bildung von Smog verantwortlich sind“, sagt Shiraiwa, Erstautor einer kürzlich erschienen Studie. „Wir haben herausgefunden, dass es viel wichtiger ist, was im Inneren der Partikel passiert. Hierbei handelt es sich um typische Multiphasenreaktionen, die in Modellvorhersagen berücksichtigt werden müssen“, ergänzt der 30 Jahre alte Japaner, der die Studie am California Institute of Technology in den USA durchführte und im April 2013 zurück an das Mainzer MPI für Chemie kam, wo er bereits früher tätig war.

Um die Stadtluft nachzuahmen, erzeugten die Forscher Smog im Labor. Als Partikelquelle nutzen sie das leicht flüchtige organische Molekül Dodekan. Dodekan gehört zu den Alkanen, die nur aus Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen bestehen und die auch bei unvollständiger Verbrennung von Biomasse in die Atmosphäre entweichen. In einer riesigen Spezialkammer gaben sie Hydroxylradikale zur Fotooxidation hinzu, wodurch Smogpartikel entstehen. Hydroylradikale sind eine Art Reinigungsmittel der Atmosphäre, die schnell mit flüchtigen organischen Molekülen wie Methan und Alkanen reagieren. Nach der Oxidation durch die Hydroylradikale vermaßen die Forscher die Größe der in der Kammer entstanden SOA-Partikel. Sie stellten fest, dass die Partikel nach etwa fünf Stunden extrem an Größe und Masse zunahmen.

Da das bisherige Modell aber einen deutlich verlangsamten Anstieg voraussagt, schlussfolgerten Shiraiwa und seine Kollegen, dass die Reaktionen in der Gasphase als Erklärung für das Partikelwachstum nicht ausreichen. Analysen mithilfe eines Massenspektrometers zeigten, dass das kleine flüchtige Molekül Dodekan zu größeren weniger flüchtigen organischen Molekülen reagiert. Da diese nicht aus dem Inneren der Partikel entweichen, wachsen die Partikel an und werden größer. Da solche Multiphasenreaktionen bisher in Modellen zur Luftqualität nicht berücksichtigt wurden, hoffen die Forscher dank ihrer Entdeckung nun auf bessere Vorhersagen zur Luftqualität in Städten.

Shiraiwa, der nun eine Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Chemie aufbaut, wird weiter die Alterungsprozesse von organischen Aerosolen und verwandte Themen untersuchen. Er erhielt seinen Bachelor und Masterabschluss an der Universität Tokio. Seine Doktorarbeit schrieb er am Mainzer Institut, wo er kinetische Modelle zur Reaktion von atmosphärischen Partikeln entwickelt hat. 2012 erhielt er die Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesellschaft sowie den Paul Crutzen Preis der Gesellschaft Deutscher Chemiker für seine bahnbrechenden Entdeckungen über den Verlauf von chemischen Reaktionen auf der Oberfläche und im Inneren von Aerosolpartikel.

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