Biologisch abbaubare Pflanzenschutzmittel ohne Risiken und Nebenwirkungen

Haben Blattläuse die Wahl zwischen Weizenkeimlingen mit (rechts) und ohne CBT-ol-Behandlung (links), so meiden sie die behandelten Keimlinge. Bilder: W. Mischko / TUM

„Es geht nicht nur um die Bienen, es geht ums Überleben der Menschheit“, sagt Professor Thomas Brück, Inhaber des Werner Siemens-Lehrstuhls für Synthetische Biotechnologie der TU München. „Ohne die Bienen, die eine Vielzahl von Pflanzen bestäuben, wären nicht nur unsere Supermarktregale ziemlich leer, sondern innerhalb kurzer Zeit wäre auch die Versorgung der Weltbevölkerung mit Nahrung nicht mehr gewährleistet.“

Synthetisch hergestellte Insektizide gefährden nicht nur Bienen, sondern auch Käfer, Schmetterlinge und Grashüpfer – sie beeinträchtigen die biologische Vielfalt in Böden, Seen, Flüssen und Meeren. Ihr Einsatz ist daher seit vielen Jahren schon höchst umstritten.

Fernhalten statt vergiften

Brück und sein Team haben jetzt eine Alternative gefunden: Das von ihnen entwickelte Insekten-Abwehrmittel ist biologisch abbaubar und ökologisch unbedenklich. Auf Pflanzen gesprüht wirkt es ähnlich wie Mückenspray, das Badegäste im Sommer auftragen: Es verbreitet einen Geruch, der unerwünschte Insekten fern hält.

„Mit unserem Ansatz ermöglichen wir einen fundamentalen Wechsel im Pflanzenschutz“, sagt Brück. „Statt Gift zu versprühen, das immer auch nützliche Arten gefährdet, vergrämen wir gezielt nur die Schädlinge.“

Bakterien als Chemie-Fabriken

Vorbild der Münchner Forscher war die Tabakpflanze. Diese erzeugt in ihren Blättern Cembratrienol, kurz CBT-ol. Mit diesem Molekül schützt sich die Pflanze vor Schädlingen.

Mit Werkzeugen der Synthetischen Biotechnologie isolierte das Team um Professor Brück diejenigen Abschnitte aus dem Genom der Tabakpflanze, die für die Bildung der CBT-ol-Moleküle verantwortlich sind.

Anschließend bauten sie diese in das Erbgut von Coli-Bakterien ein. Gefüttert mit Weizenkleie, einem Nebenprodukt aus Getreidemühlen, produzieren die genetisch veränderten Bakterien nun den gewünschten Wirkstoff.

Effizienz im Kleinen wie im Großen

„Die größte Herausforderung bei der Produktion lag darin, die Wirkstoffe am Ende des Prozesses von der Nährlösung abzutrennen“, erklärt Mirjana Minceva, Professorin für Biothermodynamik am TUM Campus Weihenstephan.

Die Lösung brachte die zentrifugale Trennungschomatographie. Das Verfahren ist höchst effizient und funktioniert auch im industriellen Maßstab, wurde aber zuvor noch nie für die Auftrennung von Produkten aus Fermentationsprozessen eingesetzt.

Wirksam auch gegen Bakterien

Erste Untersuchungen belegen, dass das CBT-Spray Pflanzen für Insekten ungiftig ist und trotzdem wirksam vor Blattläusen schützt. Da es biologisch abbaubar ist, reichert es sich auch nicht an.

Darüber hinaus zeigte sich in den Bioaktivitätstests, dass Cembratrienol eine antibakterielle Wirkung auf gram-positive Bakterien hat. Es könnte daher als Desinfektionsspray genutzt werden, das spezifisch gegen Krankheitserreger wie Staphylococcus aureus (MRSA Erreger), Streptococcus pneumoniae (Erreger Lungenentzündung) oder Listeria monocytogenes (Erreger der Listeriose) wirkt.

Publikation:

Wolfgang Mischko, Max Hirte, Simon Roehrer, Hannes Engelhardt, Norbert Mehlmer, Mirjana Minceva and Thomas Brück
Modular Biomanufacturing for a Sustainable Production of Terpenoid-based Insect Deterrents
Green chemistry, May 14, 2018 – DOI: 10.1039/C8GC00434J

Weitere Informationen:

Das Projekt wurde gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Energie und Technologie sowie von der Werner Siemens-Stiftung. Für die technische Skalierung und Validierung der Cembratrienol-Produktion nutzte das Forschungsteam den Gerätepark des TUM Zentrums für Weiße Biotechnologie in Garching. Die Bioaktivitätstests wurden am Lehrstuhl für Bioverfahrenstechnik der Friderich Alexander Universität Erlangen-Nürnberg durchgeführt.

Kontakt

Prof. Dr. Thomas Brück
Technische Universität München
Werner Siemens-Lehrstuhl für Synthetische Biotechnologie
Lichtenbergstr. 4, 85748 Garching, Germany
Tel.: +49 89 289 13253 – E-Mail: brueck@tum.de
Web: http://www.wssb.ch.tum.de/index.php?id=761

https://www.tum.de/die-tum/aktuelles/pressemitteilungen/detail/article/34679/

Media Contact

Dr. Ulrich Marsch Technische Universität München

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Ultraleichte selbstglättende Spiegel

…erhöhen die Effizient hochmoderner Teleskope. Schon immer faszinierte den Menschen der Blick in den Sternenhimmmel und nicht minder faszinierend ist es, die Erde aus dem Weltraum zu betrachten. Möglich ist…

Überraschende Umkehr in Quantensystemen

Forschende haben topologisches Pumpen in einem künstlichen Festkörper aus kalten Atomen untersucht. Die Atome wurden mit Laserstrahlen gefangen. Überraschenderweise kam es zu einer plötzlichen Umkehr der Atome an einer Wand…

Magnetisch durch eine Prise Wasserstoff

Neue Idee, um die Eigenschaften ultradünner Materialien zu verbessern. Magnetische zweidimensionale Schichten, die aus einer oder wenigen Atomlagen bestehen, sind erst seit kurzem bekannt und versprechen interessante Anwendungen, zum Beispiel…

Partner & Förderer