Winziger Teil des Genoms ermöglicht Vorhersage der maximalen Lebensdauer

Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz haben eine Methode entwickelt, mit der sich die maximale Lebensdauer fast jeder beliebigen Tierart aus einem bestimmten, sehr kleinen Bereich des Erbmaterials vorhersagen lässt.

Biochemiker der Arbeitsgruppe Evolutionäre Pathobiochemie um Juniorprofessor Bernd Moosmann vom Institut für Physiologische Chemie und Pathobiochemie haben sich vor einigen Jahren der Frage zugewandt, warum sich die maximal erreichbare Lebensdauer der verschiedenen Tierarten so stark unterscheidet.

Beim Menschen beispielsweise beträgt das maximale Lebensdauerpotenzial etwa 120 Jahre, bei der Maus hingegen nur etwa 4 Jahre und bei manchen Bodenwürmern sogar nur etwa 2 Wochen. Um diesem Rätsel auf den Grund zu gehen, begannen die Bioinformatiker, alle in den wissenschaftlichen Datenbanken zugänglichen Gensequenzen mit entsprechenden Berichten über die maximal erreichbare Lebensdauer der verschiedensten Tiere in freier Wildbahn oder in zoologischen Gärten systematisch zu vergleichen.

Nach der Analyse partieller und vollständiger Genomsequenzen von mehreren hundert Tierarten ergab sich, dass schon die Kenntnis eines bestimmten, winzigen Teils eines jeweiligen Genoms ausreicht, um die Größenordnung der maximalen Lebensdauer einer Spezies vorherzusagen. Dieser bestimmte Teil, das mitochondriale Genom, enthält meistens nur 13 Gene, welche in spezielle Proteine umgeschrieben werden, die alle mit der Energiegewinnung durch Atmung und Sauerstoffverbrauch befasst sind. Tiere, bei denen diese 13 Proteine chemisch besonders stabil aufgebaut waren, lebten nun deutlich länger als solche Tiere, bei denen sie leichter oxidierbar und somit instabiler waren. Aus dem genauen Maß an genetisch kodierter Stabilität der 13 Proteine ließ sich daraufhin die maximale Lebensdauer vorhersagen.

Die Bedeutung dieser Ergebnisse, die nun von der Zeitschrift Aging Cell veröffentlicht wurden, besteht darin, dass die neue Methode universell für fast alle bekannten Tiere anwendbar ist, also beispielsweise für Wirbeltiere wie Säuger, Vögel und Fische, aber auch für Krebse, Insekten und Würmer. Diese Tatsache belegt, dass die basalen Mechanismen des biologischen Alterns offenkundig für alle Lebewesen aus dem Tierreich dieselben sind, was für die Erforschung des menschlichen Alterns von großer Relevanz ist. Darüber hinaus demonstrieren die neuen Ergebnisse, dass die chemische Oxidationsstabilität einiger weniger, aber zentraler Proteine für ein hohes maximales Lebensdauerpotenzial essentiell ist, was die sogenannte Oxidationstheorie des Alterns (auch Freie-Radikal-Theorie des Alterns genannt) nachhaltig stützt. Die genannten 13 Gene werden interessanterweise ausschließlich über die Mutter eines jeden Individuums vererbt.

Zurzeit arbeiten die Wissenschaftler daran, die neue Vorhersagemethode zu präzisieren und die Mechanismen, nach welchen sich die genannten 13 Gene und ihre Proteinprodukte während der Evolution verändert haben, besser zu verstehen. Hierzu soll die Kooperation mit den experimentellen Alternsforschern um Christian Behl, ebenfalls vom Institut für Physiologische Chemie und Pathobiochemie, noch weiter ausgebaut werden, um die Möglichkeiten für eine gezielte Manipulation im Sinne einer Erhöhung der Stabilität der genannten 13 Atmungsproteine auszuloten.

Kontakt und Informationen:
Jun.-Prof. Dr. Bernd Moosmann
Institut für Physiologische Chemie und Pathobiochemie
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Tel. +49 6131 39-26707, Fax +49 6131 39-20185
E-Mail: moosmann@uni-mainz.de

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Petra Giegerich idw

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