Natürliche Quelle für Medikamente erschlossen

Seit vielen Jahren werden in der Medizin mit großem Erfolg Wirkstoffe eingesetzt, die auf natürlichem Wege von Mikroorganismen gebildet werden – so genannte Naturstoffe. Das Verständnis der genetischen Grundlagen der Naturstoffbildung, so hoffen Forscher, kann dazu beitragen, neue Wirkstoffe zu entdecken und damit neue Medikamente zu entwickeln.

Einem bundesdeutschen Forschungskonsortium unter Federführung des Arbeitskreises von Prof. Rolf Müller an der Universität des Saarlandes ist es nun gelungen, die Erbsubstanz des Bodenbakteriums Sorangium cellulosum, eines überaus vielseitigen Naturstoffproduzenten, zu entschlüsseln. „Sorangium cellulosum produziert eine Vielzahl von Wirkstoffen, die in der Medizin, der pharmazeutischen Industrie, aber auch in der Agrochemie Verwendung finden können. Dazu gehören zum Beispiel die Epothilone, denen Mediziner enormes Potenzial als Krebsmedikamente zutrauen“, erklärt Prof. Rolf Müller, Wissenschaftler an der Universität des Saarlandes. „Da wir nun die Erbinformation kennen, können wir in Zukunft sehr viel gezielter nach neuen Wirkstoffen suchen und ihre Produktion verbessern.“

Koordiniert wurde das Projekt durch das an der Universität Bielefeld angesiedelte Kompetenzzentrum eines bundesweiten Genomforschungsnetzwerks unter der Leitung von Prof. Alfred Pühler. Beteiligt war darüber hinaus auch das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (Dr. Helmut Blöcker und Dr. Klaus Gerth). Die Ergebnisse wurden durch ein interdisziplinäres und internationales Wissenschaftlerteam ausgewertet und nun in der Fachzeitschrift Nature Biotechnology veröffentlicht.

Insgesamt fanden die Wissenschaftler im Bakteriengenom fast 10.000 Gene, die die Grundlagen für die Produktion der Wirksubstanzen darstellen. Mit einer Rekordgröße von mehr als 13 Millionen Basenpaaren besitzt Sorangium cellulosum das größte Bakteriengenom, das bisher entschlüsselt wurde. Diese Anzahl von Genen übertrifft sogar die Gen-Ausstattung der Bäckerhefe, eines einfachen höheren Organismus, um das eineinhalbfache. Die Genomgröße, die etwa dem Vierfachen der Größe eines durchschnittlichen Bakteriengenoms entspricht, stellte eine enorme Herausforderung auch für die Bioinformatiker des Bielefelder Kompetenzzentrums dar.

Neben seiner Fähigkeit zu einer faszinierend vielseitigen Wirkstoffproduktion fällt Sorangium cellulosum auch durch eine weitere Besonderheit auf: Das Bakterium zeigt pseudosoziales Verhalten und ist zur Ausbildung multizellulärer Strukturen in der Lage, eine Eigenschaft, die aus grundlagenwissenschaftlicher Sicht von besonderem Interesse ist. Diese als „Fruchtkörper“ bezeichneten Formen dienen dem Überleben der Art bei Nahrungsmangel und erinnern an echte Fruchtkörper niederer Pilze.

Kontakt:
Prof. Dr. Rolf Müller
Tel. 0681/302-5474
E-Mail: rom@mx.uni-saarland.de

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Gerhild Sieber idw

Weitere Informationen:

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