Proteine trennen, messen und verwalten

Bei der Computeranalyse eines digitalisierten Elektrophorese-Gels. <br> <br>© Fraunhofer FIT

Nachdem das menschliche Genom weitgehend entschlüsselt ist, erforschen Wissenschaftler der Life Sciences zunehmend Proteine. Der Königsweg, um Gemische von solchen und anderen Biomolekülen zu trennen und zu kartieren, heißt Gelelektrophorese. Die Software GREG wertet deren Informationen vollautomatisch aus und legt sie in Datenbanken ab. Ihr Projekt stellen die Entwickler vom 23. bis 26. April auf der Analytica in München vor.

Leser von Presseinformationen gehören zu den höheren Organismen. Wie alle Vielzeller bestehen sie etwa zur Hälfte ihrer Trockenmasse aus Eiweiß. 100 000 bis eine Million verschiedene Proteine bauen Gewebe auf und sind an den komplexesten Stoffwechselvorgängen im Körper beteiligt. Nachdem das menschliche Genom weitgehend bekannt ist, richtet sich das Augenmerk von Biologen und Chemikern nun zunehmend auf das Proteom. Diese neuere Wortschöpfung bezeichnet die Gesamtheit aller Proteine, die ein Organismus während seines Leben bildet. Spezialisten der jungen Forschungsrichtung Proteomik schätzen, dass es zehn- bis einhundertmal umfangreicher ist als das Genom, das die Biosynthese aller Proteine kodiert und steuert. Die Frage »Wie funktioniert Leben?« wird die Forschung also noch einige Zeit beschäftigen.

Eine der wichtigsten Methoden, um eine komplexe Mischung von Proteinen oder deren Bruchstücke in ihre Bestandteile aufzutrennen, ist die Elektrophorese. Der Biochemiker bringt dazu eine Proteinlösung auf eine durchsichtige Platte auf, die mit einem polymeren Gel beschichtet ist. Nachdem eine elektrische Spannung angelegt wurde, wandern die Moleküle langsam durch das Gel. Die jeweilige Größe und der pH-Wert bestimmen, wie schnell: Große Moleküle mit geringer elektrischer Ladung sind langsam. Schaltet der Chemiker den Strom ab, bleiben die Proteine an unterschiedlichen Positionen der »Rennbahnen« liegen. Ein Farbstoff, der nur mit Proteinen reagiert, macht sie als Flecke auf dem Gel sichtbar.

Auf einer modernen Elektrophoreseplatte werden bis zu 10 000 Proteine gleichzeitig aufgetrennt. Mehrere Wettrennen mit identischen Lösungen erhöhen nicht nur die Genauigkeit der Messung, sondern auch die Datenmenge. Angesichts der Anzahl von Flecken kann dem Auswerter schwummrig vor Augen werden. Helfer in der Not sind Scanner, Computer und Bildauswertungssoftware. »Bei der eigentlichen Analyse ist der Mensch jedoch das Maß aller Dinge«, weiß Alexander Kort, der am Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT an einem Gel-Auswertungs-Projekt beteiligt ist. »Auge und Hirn wenden äußerst komplexe Verfahren an, um gleichzeitig lokale und globale Fleckenmuster, ihre Intensitäten und Kontraste zu analysieren und zu bewerten. Der Computer dagegen ’sieht’ im gescannten Bild zunächst nicht mehr als eine Pixelmatrix mit Graustufen zwischen 0 und 255. Doch können wir mit unserem vollautomatischen Analyseverfahren die Leistung der auswertenden Forscher deutlich erweitern. Wesentlich ist uns, dass sie von der reinen Datenaufnahme und -auswertung entlastet werden. Sie gewinnen Zeit, um sich kreativeren Fragen zu widmen.«

Dazu entwickeln die Informatiker von FIT gemeinsam mit Aventis Research & Technologies ein neues Softwaresystem. »Um mehrere Elektrophorese-Gele aus identisch durchgeführten Versuchen vergleichen zu können, müssen sie zunächst registriert werden – daher der Name unseres Projekts: GREG«, erklärt Kort. »Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies, dass die Software automatisch ein für alle Flecke gemeinsames Koordinatensystem erzeugt. Danach werden diese Spots segmentiert. Dies gewährleistet zum Beispiel, dass solche, die sehr nahe beeinander liegen, getrennt erfasst werden.«

Positionen und Intensitäten der Flecke zu kennen, ist jedoch erst der Anfang. Für ein modernes Auswertungssystem wie GREG ist entscheidend, auch Datenbanken zu verwalten. Der Anwender kann daraus sämtliche, bereits aufgenommenen Gelbilder schnell abrufen und visuell mit solchen aus neuen Experimenten vergleichen. Auf diesem Wege lassen sich beispielsweise Unterschiede zwischen gesunden und erkrankten Organismen leicht identifizieren. Baustein für Baustein wird das Wissen über den Stoffwechsel in Web-basierten Datenbanken abgelegt. So entsteht ein Netzwerk, das die Proteomforscher zu weiterführenden Experimenten inspiriert, woraus letztlich neue zellbiologische Modellvorstellungen erwachsen.

In der heutigen Forschung müssen Wissenschaftler verschiedener Disziplinen eng zusammenarbeiten. Bei GREG wurde deshalb schon in einer frühen Entwicklungsphase darauf geachtet, die verschiedenen Vorgehensweisen und Ziele von Molekularbiologen, Biochemikern, Pharmakologen und Medizinern angemessen zu berücksichtigen. Um deren Kooperation so effizient wie möglich zu gestalten, führen die Wissenschaftler von FIT ständig Trainingskurse an GREG durch. Dieses Wechselspiel zwischen gemeinsamer Arbeit, Training und Softwareentwicklung nennen sie Enabling-System.

Wer mehr zur vollautomatischen Auswertung von elektrophoretischen Proteindaten mit GREG wissen möchte, kann die Entwickler selbst befragen: Vom 23. bis 26. April stellen sie in München auf der Analytica ihr System vor: Halle B 2, Stand 421 / 522.

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Dr. Johannes Ehrlenspiel Presseinformation

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