Hauptakteur bei Allergien bekämpft auch Bakterien

Bestimmte Zellen des Immunsystems – die sogenannten Mastzellen – spielen eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Allergien. Wissenschaftler am Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) konnten jetzt erstmals nachweisen, dass Mastzellen aber auch eine wichtige Funktion bei der Abwehr bakterieller Infektionserreger haben: Sie locken mit Hilfe chemischer Botenstoffe weitere Zellen an den Infektionsherd, die die Eindringlinge zerstören und unschädlich machen.

In den Industrienationen leiden immer mehr Menschen unter Allergien. Bei dieser Fehlfunktion des Immunsystems reagiert der Körper auf harmlose Stoffe wie Blütenpollen oder Bestandteile der Nahrung, als würden Bakterien oder Viren einen Angriff starten: Mastzellen werden fälschlicherweise alarmiert. Sie schütten Substanzen aus, die weitere Teile der körpereigenen Krankheitsabwehr mobilisieren. Die Blutgefäße erweitern sich; es kommt zu Entzündungsreaktionen und Atemnot – den klassischen Symptomen eines allergischen Schocks.

Bisher wussten Forscher nur von dieser unrühmlichen Funktion der Mastzellen. „Uns war zwar klar, dass dieser Zelltyp bei der bakteriellen Infektabwehr irgendeine Rolle spielen muss“, erklärt der Projektleiter am HZI, Dr. Siegfried Weiß. „Aber welche das ist – da tappte die Wissenschaft bisher im Dunkeln.“ Für den wissenschaftlichen Durchbruch untersuchten Weiß und seine Mitarbeiter Labormäuse. „Die Tiere haben genauso wie wir Menschen im Grunde zwei Immunsysteme, ein angeborenes und ein durch die Abwehr von Infektionserregern antrainiertes“, so Weiß: „Die Mastzellen gehören zum angeborenen Immunsystem, das besonders schnell aber dafür auch unspezifisch auf Krankheitserreger reagiert.“

Um dem Geheimnis der Mastzellen auf die Spur zu kommen, entfernte Dr.
Nelson Gekara, Wissenschaftler in Weiß´ Abteilung, bei Versuchstieren die Mastzellen. Danach infizierte er die Mäuse mit Listeria-Bakterien.

Die Tiere konnten die Mikroorganismen bei weitem nicht so gut bekämpfen wie eine Vergleichsgruppe, die noch Mastzellen besaßen. „Bei diesen Mäusen haben wir uns dann die Mastzellen mal im Detail angesehen“, erläutert Gekara seine weitere Arbeit: „Sie hatten selbst gar keine Listerien zerstört.“ Die Mastzellen machten vielmehr denselben Job wie bei einer Allergie – sie sonderten Botenstoffe ab. Damit lockten sie andere Bestandteile des Immunsystems an – wie beispielsweise Fresszellen – und aktivierten sie. „Und diese Immunzellen haben dann die Listerien aufgenommen, zerkleinert und unschädlich gemacht“ beschreibt Gekara die Wirkung.

Zwar hat die Wissenschaft Mastzellen bisher nur mit dem Krankheitsbild Allergie in Verbindung gebracht. „Aber uns war klar, dass der Körper normalerweise keine Waffen auf sich selbst richtet“, erläutert Siegfried Weiß: „Allergien und damit die Fehlfunktion der Mastzellen sind eine Folge unserer Hygiene. In einer Umgebung mit höherer Keimbelastung haben die Mastzellen genug Infektionen zu bekämpfen, so dass sie sich nicht auf harmlose Stoffe einschießen. Bei einem `zivilisierten´ Menschen langweilen sie sich gewissermaßen – und bekämpfen dann auch mal Pollen oder Nahrungsbestandteile.“

Originalartikel:
Nelson O. Gekara and Siegfried Weiss: Mast cells initiate early anti-Listeria host defences; Cellular Microbiology, Online Early Articles; doi: 10.1111/j.1462-5822.2007.01033.x

Media Contact

Hannes Schlender Helmholtz Infektionsforschung

Weitere Informationen:

http://www.helmholtz-hzi.de

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