Plasma ohne Vakuum

Prinzipskizze der Entladungsanordnung. ©Fraunhofer

Umweltschonende High-Tech-Verfahren zum Beschichten von Oberflächen sind häufig aufwendig und benötigen spezielle Vakuumeinrichtungen. Auf der Hannover Messe (15. bis 20. April) stellen Fraunhofer-Forscher Verfahren vor, die diese Nachteile nicht haben: Sie arbeiten bei normalem Atmosphärendruck.

Fensterscheiben, Solarzellen, Flachbildschirme oder CDs haben eines gemeinsam – sie werden immer häufiger mit Hilfe von Vakuum-Plasmaverfahren beschichtet und so gegen Verschleiß oder Korrosion geschützt. Das Prinzip ist lange bekannt: Im Vakuum wird Gas durch Energiezufuhr angeregt. Es entstehen energiereiche Ionen und Elektronen und andere reaktive Teilchen, die das Plasma bilden. Damit lassen sich die verschiedensten Oberflächen modifizieren, beschichten oder reinigen.

Die bisherigen Vakuum-Plasmaverfahren haben jedoch einen Nachteil: „Anwender müssen bei solchen Beschichtungsprozessen zum Teil mit hohen Investitionskosten rechnen“, sagt Marko Eichler, Forscher am Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST. Bei Plasma-Behandlungen von Werkstücken sind teure Vakuumpumpen und -kammern erforderlich, die den notwendigen Niederdruck erzeugen und aufrechterhalten. Zudem schlagen die laufenden Kosten der bisher üblichen Niederdruck-Plasmaverfahren kräftig zu Buche, denn die Beschichtungskammern lassen sich in der Regel nicht ohne weiteres in die vorhandenen Produktionslinien einer Anwenderfirma integrieren. Am IST haben sich Wissenschaftler deshalb in zwei durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF geförderten Verbundprojekten intensiv mit alternativen Plasmabehandlungen befasst. Dabei haben sie Corona-Entladungen genauer unter die Lupe genommen. Diese Gasentladungen lassen sich auch unter normalen Luftdruckverhältnissen erzeugen. Deren technische Nutzung macht – für bestimmte Anwendungen – die teure Vakuumkammer samt der dafür notwendigen Pumpen überflüssig.

Einen Durchbruch erzielten die Fraunhofer-Experten jetzt mit einem neuen Verfahren für die gezielte Funktionalisierung von Oberflächen: Damit Lacke, Klebstoffe oder Druckfarbe gut haften, muss die Oberfläche zuvor mit definierten physikalischen und chemischen Eigenschaften wie zum Beispiel besserer Benetzbarkeit ausgestattet werden. „Bisher ging man davon aus, dass es mit Plasmaverfahren bei Atmosphärendruck nicht möglich sein würde, chemisch gut definierte Oberflächen herzustellen“, so Marko Eichler. Die Forscher am IST konnten jetzt aber zeigen, dass sich unter bestimmten Prozessbedingungen auch bei Normaldruck Schichten herstellen lassen, die chemisch ähnlich gut definiert sind wie herkömmliche Polymere. Zudem sind sie sehr fest an der Oberfläche angekoppelt. Auf diese Weise können beispielsweise stark wasserabstoßende Oberflächen hergestellt werden oder es können gezielt sehr reaktive Verbindungen auf einer Oberfläche angekoppelt werden, die dann chemisch stabile Bindungen zu anderen Materialien eingehen.

Der positive Verlauf der bisherigen Entwicklungsarbeiten spornt die Fraunhofer-Entwickler an, das kostengünstige Corona-Verfahren weiteren Anwendungen zugänglich zu machen. „Sicherlich kann die vakuumunabhängige Plasmabeschichtung nicht alle Schichtsysteme, die mit Niederdruckverfahren hergestellt werden, ersetzen. Besonders die mit Ionenbeschuss erzeugten hochvernetzten Kohlenwasserstoffschichten, die fast so hart wie Diamanten sind, können mit Abscheidungen aus Corona-Entladungen nicht realisiert werden“, schränkt Eichler ein. Es gibt jedoch zahlreiche Einsatzfälle, bei denen auch bei Atmosphärendruck ähnliche Beschichtungsergebnisse wie im Vakuum realisiert werden konnten. Ein Beispiel sind Siliciumoxid-Schichtsysteme für Anwendungen im Korrosionsschutz. Bislang werden Metalloberflächen zum Schutz vor Korrosion vor der Lackierung einer nasschemischen Chromatierung oder Phosphatierung unterzogen. Das erhöht die Haltbarkeit des Bauteils und sorgt für eine bessere Haftung des Lackes. Am Beispiel von pulverlackierten, elektrolytisch verzinkten Blechen konnten Fraunhofer-Wissenschaftler zeigen, dass ultradünne Corona-Beschichtungen den Ergebnissen der herkömmlichen nasschemischen Behandlung im Korrosionsschutz ebenbürtig sind und diese zum Teil übertreffen.

Interessenten können sich über das Verfahren auf dem Fraunhofer-Gemeinschaftsstand „Oberflächen: Innovation durch Funktion“ in Halle 27, Stand B14 informieren. Weitere neue Entwicklungen aus der Oberflächentechnik stellen die Fraunhofer-Institute für Holzforschung, Wilhelm-Klauditz-Institut WKI, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP, Produktionstechnik und Automatisierung IPA, Angewandte Optik und Feinmechanik IOF, Silicatforschung ISC und Solare Energiesysteme ISE aus.

Ansprechpartner:
Marko Eichler
Telefon 05 31/55-6 36, Fax 05 31/21 55-9 00, eichler@ist.fraunhofer.de
Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST
Bienroder Weg 54 E
38108 Braunschweig

Media Contact

Dr. Johannes Ehrlenspiel idw

Weitere Informationen:

http://www.ist.fraunhofer.de/

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