Wirkstoffe blockieren Fehlsteuerung im Wnt-Signalweg – Tumorwachstum gestoppt

Er spielt eine entscheidende Rolle für die Entwicklung des Lebens und der Aufrechterhaltung eines gesunden Organismus. Ist der Wnt-Signalweg dereguliert, sind schwere Krankheiten die Folge. Jetzt beginnen Forscher ihre Erkenntnisse, die sie über die Zellkommunikation in den vergangenen Jahren gewonnen haben, für die Entwicklung von Medikamenten zu nutzen, um neue Therapien gegen Krebs zu entwickeln.

So hat der Biochemiker Prof. Trevor Dale von der Universität Cardiff University, Wales, Großbritannien, 68 000 Substanzen durchforstet und daraus vier herausgefischt, die den Wnt-Pfad hemmen und das Tumorwachstum in Zellkulturen und in Embryonen von Zebrafischen blockieren. Als nächstes will er die von ihm und seinen Team identifizierten Substanzen gegen Tumorwachstum in Säugetieren, sprich Mäusen, erproben, wie er auf dem internationalen Kongress „Wnt Signaling in Development and Disease“ im Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch berichtete.

Für die Forscher gibt es zwei große Probleme, wenn sie in den Wnt-Signalpfad eingreifen wollen. Da er eine sehr zentrale Rolle im lebenden Organismus spielt, kann die Unterbrechung der Kommunikation zum einen schwere Nebenwirklungen auslösen. „Vor allen Dingen müssen wir lernen, an welchen Stellen wir interferieren können, um genau an den Stellen einzugreifen, wo die Fehler blockiert werden können, ohne dabei aber in lebenswichtige Funktionen einzugreifen. Das ist sehr schwierig“, sagte Prof. Walter Birchmeier (MDC), einer der Organisatoren dieser Tagung.

Zum zweiten sind die Hauptkomponenten des Wnt-Signalwegs „schwierige“ Angriffspunkte für Wirkstoffe, wie Prof. Dale formuliert. „Medikamente, die 'leichte Ziele' wie etwa Enzyme blockieren, können mit standardisierten Screenuing-Methoden entwickelt werden. Die Medikamente passen normalerweise in kleine Nischen oder Taschen der Enzyme, wo sie wie ein abgebrochener Schlüssel im Schloss stecken und dadurch verhindern, dass mit einem anderen Schlüssel das Türschloss geöffnet wird.“

„Medikamente, die schwierige Angriffspunkte wie Protein-Protein-Interaktionen blockieren, sind sehr viel schwerer zu entwickeln, da diese Zielkomponenten keine Nischen haben, an denen der Wirkstoff angreifen könnte. „Die meisten Hauptangriffsziele des Wnt-Signalwegs fallen in diese Kategorie der „schwierigen Angriffspunkte,“ erläuterte Prof. Dale.

Zwei solcher Hauptangriffspunkte im Wnt-Signalweg sind das Protein Beta-Catenin und der Faktor TCF. In gesunden Zellen ist Beta-Catenin im Zellplasma fest verankert mit einem aus verschiedenen Proteinen bestehenden Komplex. Dieser Proteinkomplex sorgt dafür, dass Beta-Catenin markiert und im Mülleimer der Zelle, dem Proteasom, abgebaut wird. Eines der Proteine dieses Komplexes ist der Tumorsuppressor APC (adenomatous polyposis coli).

Schaltet sich aber der Wnt-Signalweg ein, löst sich Beta-Catenin von dem Proteinkomplex . Da es nicht mehr abgebaut werden kann, häuft es sich in der Zelle an und wandert schließlich in den Zellkern, wo es an den TCF/Lef Faktor bindet und Zielgene anschaltet. Erkrankungen, wie etwa Dickdarmkrebs, Brustkrebs, Gehirn- oder Herzerkrankheiten sind die Folge. Die Frage für die Forscher ist deshalb, wo und wann in diese Fehlregulation eingreifen?

„Außerhalb dieser zentralen Komponenten ist der Wnt-Signalweg noch nicht so gut erforscht, was kein Nachteil ist“, so Prof. Dale. So konnten er und seine Mitarbeiter einen breiteren Ansatz für ihre Wirkstoffsuche einsetzen. Sie testeten 68 000 Substanzen und ihre Aktivität gegen den Wnt-Signalweg in lebenden Zellen. „Sobald wir die vier aktiven Substanzen identifiziert hatten, standen wir vor dem Problem, ihre Zielstrukturen in diesem Signalweg zu erkennen“, sagte er.

Prof. Dale`s Team konnte zeigen, dass zwei Substanzen den Signalweg in der Nähe der Hauptkommunikationsstrecke von Beta-Catenin blockieren, die beiden anderen Substanzen den Signalweg nahe des TCF Proteins. Weiter konnten sie demonstrieren, dass die Wirkstoffe das Tumorwachstum in Zellkulturen sowie in Zebrafischembryonen hemmen. „Allerdings wissen wir noch nicht genau, an welche Strukturen die Wirkstoffe binden“, räumt Prof. Dale ein.

Das ist aber wichtig zu wissen. Denn einige der Zebrafischembryonen wiesen Entwicklungsstörungen auf, die denen ähnelten, die bereits zuvor als Folge von Mutationen im Wnt-Signalweg beschrieben worden sind. „Das lässt den Schluß zu, dass die Substanzen die gleichen Auswirkungen haben, wie wenn man den Wnt-Signalweg blockiert“, erläutert Prof. Dale. So hatten einige Zebrafischembryonen einen Teil ihres Gehirns verloren. Die Nebenwirkungen waren aber je nach Substanz unterschiedlich. Einige lösten gar keine Nebenwirkungen aus, andere weitere Entwicklungsstörungen, wobei unklar ist, ob sie in Zusammenhang mit der Blockade des Wnt-Signalwegs stehen oder nicht. „Das wird noch untersucht,“ betont der Biochemiker.

In einem weiteren Schritt wollen Prof. Dale und seine Mitarbeiter Varianten dieser vier Wirkstoffe einsetzen, um Dickdarmkrebs bei Mäusen zu hemmen, bei denen der Wnt-Signalweg fehlgesteuert ist. Forscher gehen davon aus, dass das Tumorsuppressor APC Dickdarmkrebs auslöst. In 90 Prozent der Fälle von Dickdarmkrebs beim Menschen ist APC mutiert. Die Zukunft wird zeigen, ob die bei den Mäusen erzielten Ergebnisse so vielversprechend sind, dass die Wirkstoffe dann in klinischen Studien mit Patienten getestet werden können.

Barbara Bachtler
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