Ein gefundenes Fressen – Wie die Riffnachbarn beim Korallensex mitfeiern

Damit gelangt in kurzer Zeit eine außerordentlich große Menge energie- und nährstoffreiches organisches Material in die ansonsten extrem nährstoffarmen Gewässer um das Riff. Ein internationales Forscherteam um Dr. Christian Wild, Leiter der Coral Reef Ecology (CORE)- Arbeitsgruppe am GeoBio-Center der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, konnte nun zeigen, dass die farbenprächtige Korallenblüte massive Auswirkungen auf die Lebensgemeinschaft am Riff hat.

Wie in der Fachzeitschrift „Coral Reefs“ berichtet, steigt die Konzentration organischen Materials im Wasser am Tag danach bis um das Elffache an. Das Material wird zu einem großen Teil von anderen Riffbewohnern aufgenommen und abgebaut, was unter anderem zu einer großflächigen Algenblüte führt. Insgesamt löst das Massenlaichen der Korallen als Schlüsselereignis eine Kaskade von Prozessen aus – vor Australien und wohl auch bei den anderen großen Riffen der Welt.

„Boy meets Girl“ – das funktioniert bei Korallen nur mit minutiöser Planung. Bei großen Riffs bedeutet das, dass in äußerst kurzer Zeit Milliarden von Geschlechtszellen frei werden. Am Großen Barriereriff findet die Korallenblüte innerhalb weniger Nächte im November oder Dezember statt. Die Koordination der Tiere erfolgt über die Wassertemperatur, die Mondphase und die Tageslänge. Würden Ei- und Spermazellen nicht gleichzeitig ins Wasser abgegeben, könnten sie sich sonst der Strömung und Fressfeinde wegen schlichtweg verpassen. „Die Korallenriffe im Großen Barriereriff sind Teil einer extrem nährstoffarmen Welt“, berichtet Wild. „Die Geschlechtszellen stellen neben ihrem primären biologischen Zweck der Vermehrung eine riesige Menge organischen Materials dar, das umgehend wieder in die Nahrungskette des Riffs eingeschleust werden muss, weil es sonst für die Riffgemeinschaft verloren wäre. In einer früheren Arbeit konnte ich in Zusammenarbeit mit Kollegen zeigen, dass in den Sedimenten des Meeresbodens lebende Mikroorganismen innerhalb weniger Tage einen Teil der Zersetzungsarbeit übernehmen.“

In der vorliegenden Untersuchung ging es vornehmlich um die Frage, was genau mit der organischen Materie geschieht, die während des Massenablaichens frei wird. Das Forscherteam nahm über mehrere Wochen Proben in verschiedenen Riffzonen vor Heron Island, einer Insel im Süden des Großen Barriereriffs. Dabei wurde gezeigt, dass die Konzentration an organischem Material als Konsequenz der Massenabgabe von Koralleneiern und -spermien dramatisch zunahm. So stieg die Dichte an POM, kurz für „Partikuläres Organisches Material“, um das Drei- bis Elffache an. Ein Großteil des abgegebenen Materials wird, wie Isotopenmessungen zeigten, schnell von den Rifforganismen aufgenommen. So gelangen die enthaltenen Nährstoffe und Energie unmittelbar in die Nahrungsketten des Riffs. Der Abbau des Materials benötigt große Mengen Sauerstoff – und zwar schon unmittelbar nach dem Massenereignis. Es ist bekannt, dass der Verbrauch unter besonders schlechten, aber nur selten vorkommenden Bedingungen so drastisch zunehmen kann, dass sauerstoffabhängige Riffbewohner sterben. „Insgesamt konnten wir zeigen, dass das Massenablaichen der Korallen dramatische und lang andauernde Effekte auf das komplizierte Riffökosystem haben kann“, berichtet Wild. „Das Ökosystem Korallenriff verfügt offenbar über die geeigneten, schnellen Recyclingmechanismen, um den Verlust von wichtigen Nährelementen während der Korallenblüte stark zu reduzieren. Weil die Korallenblüte auch von anderen Riffen wie im Golf von Mexiko und Japan bekannt ist, sind unsere Ergebnisse vermutlich auch auf diese Ökosysteme übertragbar.“

Publikation:
„Biogeochemical responses following coral mass spawning on the Great Barrier Reef: pelagic-benthic coupling“, C. Wild, C. Jantzen, U. Struck, O. Hoegh-Guldberg, M. Huettel, Coral Reefs, online am 12. September.
Ansprechpartner:
Dr. Christian Wild
Center of Geobiology and Biodiversity Research
Department of Geosciences der LMU
Tel.: 0049-(0)89 / 2180 6706
Fax: 0049-(0)89 / 2180 6601
E-Mail: c.wild@lrz.uni-muenchen.de

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Luise Dirscherl idw

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