Stärkeverdauung als Motor der menschlichen Evolution

Der große Erfolg des Menschen auf dem Planeten beruht aller Wahrscheinlichkeit nach auf seiner Fähigkeit stärkehaltige Nahrungsmittel, die viele Kalorien haben, zu verdauen. Zu diesem Schluss kommen Forscher der University of California in Santa Cruz in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature Genetics. Mit dieser Fähigkeit ist es auch gelungen, größere Gehirne zu entwickeln, die mehr Nahrung brauchen.

Wissenschaftler waren ursprünglich davon ausgegangen, dass der Fleischkonsum dazu geführt hat, dass der Homo sapiens so erfolgreich wurde. Das Forscherteam um Nathaniel Dominy sieht das allerdings anders: „Sogar wenn man moderne Jägergesellschaften auf dieser Erde betrachtet, kommt man zum Schluss, dass der Fleischkonsum eine relativ geringe Rolle bei ihrer Ernährung spielt.“ Es sei nicht nachvollziehbar, dass vor zwei bis vier Mio. Jahren ein kleinhirniges zweibeiniges Tier effizient nach Fleisch jagen konnte, argumentiert der Forscher. Was die Wissenschaftler aber in ihrer Theorie bestärkt, ist die Tatsache, dass Menschen über das Gen AMY1 verfügen. Dieses spielt eine wichtige Rolle bei der Bildung des Verdauungsenzyms Amylase. Ihre Wirkung besteht darin, dass sie Polysaccharide wie zum Beispiel Stärke an den Glykosidbindungen spalten und abbauen.

Das Forscherteam untersuchte verschiedene Gruppen von Menschen, die stark abweichende Speisepläne hatten. Dabei verglichen sie Menschen, die sehr viel Stärke zu sich nehmen mit jenen, die sich von weniger stärkehaltigen Nahrungsmitteln ernähren. So waren bei den Yakut, einem Volk, das in der Arktis lebt und sich hauptsächlich von Fisch ernährt, deutlich weniger verschiedene AMY1-Gene vorhanden als etwa bei Japanern, die große Mengen von Reis zu sich nehmen. Die Forscher gehen nun davon aus, dass die ersten Menschen nach neuen Nahrungsmitteln zu suchen begannen und nicht ausschließlich reife Früchte – wie dies etwa Primaten tun – zu sich nahmen. Dabei stießen die Frühmenschen auf stärkehaltige Knollen wie wilde Karotten, Vorfahren der heutigen Kartoffel und Zwiebelknollen.

In vorhergehenden Untersuchungen hatten Dominy und sein Team festgestellt, dass Tiere, die stärkehaltige Nahrung zu sich nehmen, ein spezielles Gewebe mit einer chemischen Signatur herstellen. Auch Funde von frühen Menschen wiesen genau jene Substanzen auf. Ein weiterer wesentlicher Schritt war die Entdeckung des Feuers und damit verbunden eine verbesserte Form der Ernährung. „Wenn man Lebensmittel kocht, braucht man weniger Menge, weil die Nahrung leichter zu verdauen ist“, so Dominy.

Nicht alle Forscher teilen den Enthusiasmus von Dominy. „Es ist unmöglich darauf zu schließen, dass mit Beginn der stärkehaltigen Nahrungsmittel auch das Wachstum des Gehirns eingesetzt hat“, meint John Dupre, Philosoph und Wissenschaftler der Exeter University. Es gäbe so viele Unterschiede zwischen dem Homo sapiens und seinen nächsten Artverwandten. „Die Resultate über die Bildung der Amylase-Gene ist sehr interessant und geben gute Hinweise darauf, welche funktionelle Plastizität das Genom hat.“

Media Contact

Wolfgang Weitlaner pressetext.austria

Weitere Informationen:

http://www.ucsc.edu

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