Forscher entwickelt künstliche Lunge für umweltfreundlichere Kohlekraftwerke

Von einer solchen Reserve können Ingenieure nur träumen. Rund 300 Millionen Alveolen, so schätzen Physiologen, hat der Mensch in seinen Lungen zur Verfügung, um täglich gerade einmal ein schlappes Kilogramm Kohlendioxid loszuwerden. Nicht einmal zehn Liter Atemluft pro Minute tauscht er mit seiner Umgebung aus, wenn er sich nicht gerade körperlich anstrengt. Aber seine Atmungsorgane sind auf alles vorbereitet. Fresszellen lauern ständig auf Staubkörnchen oder die Reste kleiner Blutungen, die es sofort zu beseitigen gilt. Denn die Lungen dürfen keinen Moment lang ausfallen. Würden sie es tun, wäre der Mensch nach wenigen Minuten tot. Eben jene Zuverlässigkeit, die das Atmungssystem des Menschen im Laufe seiner Evolution entwickelt hat, ist es, das Hans Fahlenkamp fasziniert und inspiriert.

Mit seinen Membrankontaktoren, ist sich Fahlenkamp sicher, eines der störungsärmsten Systeme entwickelt zu haben. Denn sie machen eine tatsächliche „Wäsche“ der Rauchgase überflüssig. Während der Rauch durch viele feine Kunststoffröhren strömt, die von einem flüssigen Waschmittel umspült werden, geht das Kohlendioxid durch mikrofeine Poren ins Waschmittel über. Genauso funktionieren die organischen Membranen in den Lungenbläschen, wo sie die Atemluft vom Blut trennen und trotzdem einen effizienten Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid zwischen den beiden Phasen ermöglichen.

Das Problem einer tatsächlichen Rauchgaswäsche, bei der Gas und flüssiges Waschmittel direkt miteinander in Kontakt kommen, ist eine mögliche Verschlammung der Gaswäscher. Reststäube, die sich auch mit leistungsstarken Elektrofiltern nicht ganz vermeiden lassen, würden neben dem CO2 im Waschmittel hängen bleiben und langfristig einen unerwünschten Schlamm bilden. „In einem modernen Großkraftwerk gehen bei 1.000 Megawatt Nennleistung drei Millionen Kubikmeter Rauchgas pro Stunde durch den Kamin“, erläutert Fahlenkamp, „wenn sich darin noch 20 Kilo Staub befinden, ist das zwar sehr wenig und nur ein Drittel des gesetzlichen Grenzwerts. Aber nach 1.000 Betriebsstunden sind schon 20 Tonnen zusammengekommen.“ Unter Umständen wäre dies schon nach wenigen Wochen der Fall.

Vor allem die Braunkohlekraftwerke im Rheinland, die gut die Hälfte des Strombedarfs in Nordrhein-Westfalen produzieren, könnten keineswegs so einfach abgeschaltet werden, wenn eine Störung auftritt. Sie decken die so genannte Grundlast des Stromnetzes, laufen also nahezu ständig und müssen dies auch tun, weil die geförderte Braunkohle aus den umliegenden Tagebauen direkt und „just in time“ zu den Kraftwerken transportiert wird. Müssten diese Kraftwerke einmal außerhalb der geplanten Wartungsperioden vom Netz genommen werden, wäre nicht nur das Wieder-Anfahren ein langwieriger Prozess, auch die gesamte Logistik der Braunkohle-Förderung müsste entsprechend lange ruhen. Der wirtschaftliche Schaden wäre ungleich höher als beispielsweise bei einem Steinkohlekraftwerk, das üblicherweise die Mittellast im Stromnetz deckt, also darauf ausgelegt ist, je nach Bedarf herauf und wieder herunter gefahren zu werden. Weltklimarat und EU-Kommission sähen es am liebsten, wenn Braunkohlekraftwerke bald ganz der Vergangenheit angehörten. Sechs der zehn klimaschädlichsten Kraftwerke Europas stehen einer aktuellen Studie des World-Wildlife-Found zufolge in Deutschland, vier davon im Rheinland.

Rund 200.000 Megawatt Kraftwerksleistung müssen nun in den kommenden 20 Jahren europaweit ersetzt werden, weitere 100.000 Megawatt zusätzlich geschaffen werden, weil der Stromverbrauch trotz aller Anstrengungen zum Energiesparen rasant wachsen wird. Insgesamt geht es um gut 300 große Kraftwerke. In Deutschland käme noch einmal 21.000 Megawatt zu ersetzende Grundlastkapazität hinzu, wenn tatsächlich alle Kernkraftwerke vom Netz gingen. Die Branche boomt also. Aber während sich die Ingenieure schon seit vielen Jahren darauf vorbereitet haben, die Wirkungsgrade der neuen Kraftwerksgeneration deutlich zu steigern, wurden die Entwickler von der politischen Forderung nach kurzfristigen Lösungen zur CO2-Abscheidung kalt erwischt. Denn allein durch effizientere Ausnutzung des Brennstoffs lassen sich die politisch beschlossenen Klimaziele – die Bundesregierung strebt bis 2020 eine Minderung um 40 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 an – nicht erreichen.

Kontakt:
Prof. Dr. Hans Fahlenkamp
Ruf: (0231) 755-2322

Media Contact

Ole Lünnemann idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-dortmund.de/

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