Wie Stammzellen funktionieren

„Pluripotenz und zelluläre Reprogrammierung“ lautet der exakte Titel des neuen Schwerpunkt-Programms der DFG. „Ziel dieses Programms ist es, die molekularen Prozesse und Strukturen aufzuklären, die die Pluripotenz embryonaler Stammzellen auf der molekularen Ebene erzeugen und erhalten“, erklärt Albrecht Müller das Vorhaben. Müller ist Professor am Institut für Medizinische Strahlenkunde und Zellforschung der Universität Würzburg.

Embryonale Stammzellen sind in ihrer Entwicklung noch nicht festgelegt und sie sind dadurch zelluläre „Alleskönner“. Sie besitzen die einzigartige Fähigkeit, sich in viele verschiedene Zelltypen weiterentwickeln zu können – etwa in Nerven-, Haut-, Blut- oder Leberzellen. Das erklärt zum einen ihren Beinamen, in dem das lateinische „pluri – mehr“ steckt. Zum anderen macht sie das für die Forscher so interessant, gelten sie damit doch als viel versprechende Ausgangszellen für den Kampf gegen Krankheiten wie Multiple Sklerose, Parkinson oder Herzinfarkt. Von Interesse sind allerdings nicht nur embryonale Stammzellen; auch andere Zelltypen sind mittlerweile in den Fokus der Wissenschaft geraten, weil sie sich möglicherweise mithilfe besonderer „Tricks“ zu (Fast-)Alleskönnern umprogrammieren lassen.

„Bisher sind die molekularen Prozesse, die für den pluripotenten Zustand embryonaler Stammzellen zuständig sind, wenig verstanden“, sagt Müller. Deshalb hat er gemeinsam mit Kollegen von den Universitäten Aachen, Saarbrücken und dem Max-Planck Institut Münster den Plan gefasst, eine „strategische Forschungsplattform“ zu entwickeln, um grundlegende Prozesse bei der Entwicklung von Pluripotenz zu untersuchten.

Die Einrichtung dieser Plattform hat die DFG inzwischen genehmigt; jetzt läuft das Auswahlverfahren. „Bis Anfang September können sich Forschungseinrichtungen aus ganz Deutschland mit ihren Projekten um die Teilnahme an diesem Schwerpunkt-Programm bewerben“, sagt Müller. Mit 40 bis 80 Anträgen rechnet der Stammzellforscher. Aus diesen werden die Verantwortlichen dann 20 bis 25 Projekte aussuchen, die in den kommenden maximal sechs Jahren mit Unterstützung der DFG die Grundlagen der Pluripotenz erforschen sollen. „Das Thema ist wichtig und bedeutend. Es wäre schön, wenn Deutschland darin an die Forschungsspitze aufschließen kann“, sagt Müller.

Dass embryonale Stammzellen die Eigenschaft besitzen, sich in eine Vielzahl klinisch relevanter Zellarten zu differenzieren, ist eigentlich eine „deutsche Entdeckung“. Sie wurde vor gut 20 Jahren beinahe zeitgleich in Labors in Ost- und in Westdeutschland gemacht. Mittlerweile hinken deutsche Forschungseinrichtungen auf diesem Gebiet der internationalen Spitze ein wenig hinterher. „Die strikte Gesetzgebung in Deutschland ist dafür mit verantwortlich, dass die Kollegen hier in ihrer Arbeit eingeschränkt sind“, kritisiert Müller und bezieht sich dabei vor allem auf die Stichtagsregelung im Stammzell-Importgesetz. Sie schreibt vor, dass Wissenschaftler in Deutschland nur an menschlichen embryonalen Stammzellen forschen dürfen, die vor dem 1. Januar 2002 entstanden sind. Müller hofft darauf, dass ein Vorschlag der DFG, die Stichtagsregelung abzuändern, die Arbeit in Zukunft erleichtert.

Müller selbst arbeitet nicht mit menschlichen embryonalen Stammzellen; und auch in dem Schwerpunkt-Programm wird in erster Linie an Mäusezellen geforscht werden. Dennoch bleibt das Ziel dabei immer: „Wir wollen Wissen generieren, das man dann beim Menschen anwenden kann.“

Ansprechpartner: Prof. Dr. Albrecht Müller, Tel.: (0931) 201 45848; E-Mail: albrecht.mueller@mail.uni-wuerzburg.de

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Gunnar Bartsch idw

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