Auf dem Weg zum Anti-Tumor-Impfstoff
Wie bringt man den Körper dazu, mit den eigenen Waffen des Immunsystems gegen Krebs vorzugehen? Im Prinzip nicht anders als im Fall von Infektionskrankheiten: Durch eine Impfung. Einen selektiven Impfstoff herzustellen, ist allerdings keine triviale Aufgabe. Ein Team um Horst Kunz von der Universität Mainz hat nun einen Weg gefunden, ein tumortypisches Molekül an ein Trägerprotein zu knüpfen, ohne das Immunsystem zu irritieren. Wie sie in der Zeitschrift Angewandte Chemie berichten, basiert die Methode auf der immunkompatiblen Verknüpfung über ein Schwefelatom, einen Thioether.
Epitheliale Tumorzellen tragen ungewöhnlich hohe Mengen des Mucins MUC1 auf ihrer Oberfläche, das zudem im Vergleich zu seinen „normalen“ Vettern in ganz charakteristischer Weise verändert ist. Mucine, Schleimstoffe, die die Oberfläche von Schleimhäuten schützen, sind Glycoproteine – Makromoleküle mit einer zentralen Eiweißkette und langen Seitenketten aus Zuckerverbindungen (Polysacchariden). Dieses veränderte MUC1 wäre ein geeignetes Zielmolekül (Antigen) für Antikörper im Rahmen einer immunologischen Antitumortherapie.
Die Schwierigkeit liegt darin, dass solche zuckerhaltigen Verbindungen ausgesprochen ineffektiv beim Stimulieren des Immunsystems zur Bildung von Antikörpern sind. „Die Immunisierung gelingt erst, wenn sie über einen Abstandhalter an einem immunisierenden Trägerprotein verankert werden,“ erklärt Kunz. Was sich bei Zuckerketten noch recht simpel verwirklichen lasse, gestalte sich bei Glycoproteinen sehr kompliziert, denn der Proteinteil trage viele reaktive Atomgruppierungen, die bei einer Verknüpfungsreaktion angegriffen werden. „Zudem,“ so Kunz, „sind viele an sich als Anker geeignete Strukturen selber hoch immunogen, sodass die Immunantwort gegen das eigentlich Ziel, das Glycoprotein, unterdrückt sein kann.“
Das Team fand nun einen geeigneten Verankerungsweg: Ihr Anker ist ein so genannter Thioether (zwei über ein Schwefelatom miteinander verbundene Kohlenstoffatome). Das Trägerprotein wird dazu zunächst mit einem Abstandhalter versehen, an dessen Ende eine Allylgruppe (zwei über eine Doppelbindung verbundene Kohlenstoffatome) hängt. Das Gylcopeptid wird mit einem Baustein gekuppelt, der Thiole (Schwefel-Wasserstoff-Gruppen) aus dem Molekül ragen lässt. Bei der folgenden, durch Licht initiierten (photochemischen) Reaktion werden ausschließlich die gewünschten Thioetherbindungen geknüpft, Nebenreaktionen an anderen Stellen der Peptidkette finden nicht statt.
„Synthetische Glycopeptidantigene, die tumortypische Strukturelemente sowohl im Zucker- als auch im Eiweißteil tragen,“ erklärt Kunz, „können auf diese Weise kontrolliert mit Trägerproteinen verbunden werden. Die kaum immunogenen Thioether-Brücken könnten den Weg für die Entwicklung von Vakzinen zur Aktivimmunisierung gegen Tumorzellen ebnen.“
Angewandte Chemie: Presseinfo 23/2007
Autor: Horst Kunz, Universität Mainz (Germany), http://www.uni-mainz.de/FB/Chemie/AK-Kunz/akkunz.htm
Angewandte Chemie 2007, 119, No. 27, doi: 10.1002/ange.200700964
Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69495 Weinheim, Germany
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