Kamasutra der Bienen

Eines der Fußglieder des Männchen trägt einen schaufelartigen Fortsatz - die "Duftdusche".

Was ihre Sexualpartner anbelangt, sind weibliche Blattschneiderbienen wählerisch: Sie fliegen nur auf Männchen, die den passenden Geruch verströmen. Um zum Zuge zu kommen, müssen die Bienenmänner ihnen ihren Duft richtiggehend „unter die Nase“ reiben, haben Zoologen der Universität Bonn festgestellt. Drüsen in ihren Vorderbeinen dienen ihnen dabei als „Duftdusche“.

Beim Geschlechtsakt der Blattschneiderbienen scheint für Sinnlichkeit kein Platz. Da wirft sich das Männchen auf das Weibchen, beißt sich mit den Kiefern an ihren Fühlern fest, hält ihm mit den Vorderbeinen die Augen zu, presst mit dem mittleren Beinpaar ihre Flügel an den Körper und zerrt mit den Hinterbeinen ihren Hinterleib in die Höhe. „Doch die Bienendame allein entscheidet, mit wem sie sich paaren möchte“, erklärt Professor Dr. Dieter Wittmann, „wenn sie den Bienenmann nicht will, bockt sie und wirft ihn ab – und verschafft sich manchmal sogar mit dem Stachel Respekt.“

Über Erfolg oder Misserfolg entscheidet vor allem ein Duftcocktail, den das Männchen in seinem Hinterleib produziert und den es auf seinem Rendezvous-Platz verteilt. „An diesem Duftcocktail kann das Weibchen vermutlich erkennen, ob es mit dem potenziellen Sexualpartner verwandt ist, und so Inzucht verhindern“, erklärt Professor Wittmann. Hat das Männchen eine Biene angelockt, klammert es sich an ihren Nacken und klemmt ihre Fühler zwischen hakenartige Zähne seiner kräftigen Kiefer. Die Fühler werden dabei umgebogen und kommen an den Vorderbeinen des Männchens zu liegen.

Die Vorderbeine männlicher Blattschneiderbienen weisen rätselhafte Strukturen auf: Eines der Fußglieder ist extrem vergrößert und trägt einen schaufelartigen Fortsatz. Professor Wittmann und seine Mitarbeiter entdeckten bei der Auswertung von Videoaufnahmen, dass sich kurz vor der Kopulation die Fühler des Weibchens in das gewölbte Schaufelblatt legen. Bei der elektronenmikroskopischen Untersuchung stellten sie zudem fest, dass das Schaufelblatt von winzigen Löchern durchsiebt ist – den Ausgängen von Duftdrüsen. „Die gewölbte Schaufelstruktur dient dem Männchen als eine Art Handdusche, mit der es die Fühler seiner Partnerin – ihre Nase – mit seinem Sexualduft abduscht.“ Gleichzeitig legt der Bienen-Mann seine teilweise lichtdurchlässigen Vorderbeine auf die Augen seiner Partnerin und erzeugt so ein artspezifisches Licht- und Schattenmuster.

Das komplizierte Prozedere dient wohl als eine Art Passkontrolle: Die Männchen schauen etwa alle 90 Sekunden nach, ob an ihrem Rendevouz-Platz ein Weibchen auf sie wartet. In ihrer Abwesenheit versuchen aber Konkurrenten, sich an die angelockten Weibchen heranzumachen. Bei der „Duftdusche“ kann das Weibchen den Duft des Rendezvous-Platzes mit dem aus den Vorderbeinen vergleichen und so kontrollieren, ob es gerade einem Betrüger aufsitzt.

Ähnliche Paarungsmechanismen konnten Professor Wittmann und seine Mitarbeiter inzwischen auch noch bei anderen Bienen und auch bei Wespen nachweisen. „Da tut sich eine wahre Mikrowelt der Verführung auf, die man den kleinen Insekten gar nicht zutraut“, begeistert sich der Zoologe. Bei manchen Arten bringt gar erst die Kombination von Duft, Licht und sanften Berührungen die Bienen-Dame in Stimmung – einige Duftduschen sind mit tausenden beweglichen Härchen ausgekleidet, die die Fühler der Weibchen sanft massieren können.


Weitere Informationen: Professor Dr. Dieter Wittmann, Institut für Landwirtschaftliche Zoologie und Bienenkunde, Tel.: 0228/910-190 bzw. 0228/634308, Fax: 0228/910-1930, E-Mail:  wittmann@uni-bonn.de

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