Tumortherapie ohne Leberschaden: "Therapeutisches Fenster" für TRAIL/Bortezomib

Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums zeigten nun, dass die Kombination TRAIL/Bortezomib in hoher Dosierung leberschädigend wirkt. Gleichzeitig jedoch fanden sie ein „therapeutisches Fenster“ für den Einsatz der Kombitherapie – einen Dosisbereich, in dem Tumorzellen sensibilisiert, Leberzellen aber nicht geschädigt werden.

Krebszellen gezielt in den Tod zu treiben, ohne dabei gesunde Zellen in Mitleidenschaft zu ziehen, ist das Idealziel jeder Tumorbehandlung. Die Wirkung des körpereigenen Proteins TRAIL kommt diesem Ideal recht nahe: Wie einige seiner Verwandten aus der Tumornekrosefaktor-Familie löst auch TRAIL den programmierten Zelltod Apoptose aus. Während die anderen Familienmitglieder jedoch keinen Unterschied zwischen gesunden und entarteten Zellen machen, richtet sich die tödliche Wirkung von TRAIL fast ausschließlich gegen Tumorzellen.

Zwar wird TRAIL bereits in klinischen Studien bei bestimmten Krebserkrankungen geprüft, in alleiniger Anwendung wird der vielversprechende neue Wirkstoff jedoch voraussichtlich keinen breiten Eingang in die Klinik finden. Der Hauptgrund dafür ist, dass Tumorzellen häufig resistent gegen die Wirkung dieses Todesbotenstoffs werden. Daher suchen Wissenschaftler nach Substanzen, die Krebszellen spezifisch für den TRAIL-induzierten Zelltod sensibilisieren. Dies gelingt mit Bortezomib, einem Krebstherapeutikum, das unter dem Handelsnamen Velcade® vertrieben wird. Bortezomib blockiert Proteasomen, diejenigen Strukturen in der Zelle, die für das „Kleinhäckseln“ nicht mehr benötigter oder defekter Proteine zuständig sind. Über welchen zellbiologischen Mechanismus Bortezomib die Sensibilisierung erreicht, war bislang nicht bekannt.

Das Problem der Kombitherapie: Hohe Dosen Bortezomib sensibilisieren auch gesunde Leberzellen für die TRAIL-induzierte Apoptose. Wissenschaftler aus der Arbeitsgruppe Apoptoseregulation unter der Leitung von Dr. Henning Walczak im Deutschen Krebsforschungszentrum suchten nach einer Dosierung von TRAIL/Bortezomib, die einerseits Krebszellen sensibilisiert, andererseits aber gesunde Leberzellen nicht schädigt. Sie zeigten, dass bereits eine sehr niedrige Dosis (25 nM) ausreicht, um Darm-, Bauchspeicheldrüsen- und Leberkrebszellen für die TRAIL-vermittelte Todesbotschaft empfänglich zu machen, gesunde Leberzellen dagegen selbst durch eine über vierzigfach höhere Bortezomib-Konzentration (1100 nM) nicht für den Zelltod sensibilisiert werden.

„Das öffnet ein breites therapeutisches Fenster für einen klinischen Einsatz und zeigt uns, dass eine Behandlung mit der Kombination TRAIL/Bortezomib grundsätzlich möglich ist“, erklärt Dr. Ronald Koschny, Medizinische Klinik der Universität Heidelberg, einer der Autoren der Studie. „Allerdings liegen noch keine Daten aus Untersuchungen an Tieren vor. Daher können wir noch nicht mit Sicherheit ausschließen, dass nicht noch andere Nebenwirkungen auftauchen.“

Die Wissenschaftler zeigten außerdem, dass unter Bortezomib-Behandlung die Menge der TRAIL-Rezeptoren auf der Zelloberfläche steigt, vermutlich, weil sie der Entsorgung durch das Proteasom entgehen. Zum anderen funktioniert der Zusammenbau des Proteinkomplexes, der das Todessignal im Zellinneren weiterleitet, deutlich besser. „Je genauer wir wissen, was die TRAIL-Resistenz ausmacht, desto spezifischere Wirkstoffe können wir dagegen suchen“, erläutert der Teamleiter Henning Walczak. „Unser Ziel ist, durch die Kombination von TRAIL mit anderen Medikamenten die Schädigung gesunder Zellen zu vermeiden, um das therapeutische Potenzial dieses Wirkstoffs bestmöglich zu nutzen.“

Ronald Koschny, Tom M. Ganten, Tobias L. Haas, Martin R. Sprick, Armin Kolb, Wolfgang Stremmel und Henning Walczak: TRAIL/Bortezomib Cotreatment is Potentially Hepatotoxic but induces Cancer-Specific Apoptosis Within a Therapeutic Window. Hepatology, Band 45, Seite 649, 2007.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum hat die Aufgabe, die Mechanismen der Krebsentstehung systematisch zu untersuchen und Krebsrisikofaktoren zu erfassen. Die Ergebnisse dieser Grundlagenforschung sollen zu neuen Ansätzen in Vorbeugung, Diagnose und Therapie von Krebserkrankungen führen. Das Zentrum wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e.V.

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