Forscher finden molekulare Grundlage chronisch entzündlicher Darmerkrankungen

Gemeinsame Pressemitteilung: Universität zu Köln, Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, European Molecular Biology Laboratory

Weltweit leiden mehr als 4 Millionen Menschen an chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa. Um neue, effektivere Therapien gegen diese Erkrankungen zu entwickeln, ist ein genaues Verständnis der zugrunde liegenden molekularen Prozesse nötig. Wissenschaftler der Universität Köln, des Klinikums der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, des EMBL (European Molecular Biology Laboratory) in Italien sowie deren Kooperationspartner haben ein zelluläres Signal entdeckt, das eine chronisch entzündliche Darmerkrankung auslösen kann.

Die Forschungsergebnisse, die in der aktuellen Onlineausgabe der Zeitschrift Nature veröffentlicht wurden, zeigen, dass die Hemmung eines zellulären Signalmoleküls in Mäusen zu einer schweren Darmentzündung führt. Sie enthüllen einen molekularen Mechanismus, der vermutlich auch beim Menschen an der Entstehung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen entscheidend beteiligt ist.

Der menschliche Darm beherbergt eine enorme Zahl von Bakterien. Diese sind normalerweise unschädlich für den Körper und helfen sogar bei der Nahrungs-Verwertung. Wenn sie jedoch in die Darmwand eindringen, können diese Bakterien gefährlich werden und Krankheiten verursachen. Daher ist die Darmoberfläche von einer dünnen Zellschicht so genannter Epithelzellen bedeckt, die als Barriere wirken und die Bakterien vom Eindringen in die Darmwand abhalten. Die Mechanismen, die diese Barriere – und somit einen gesunden Darm – erhalten , sind weitgehend unbekannt.

Arianna Nenci aus der Arbeitsgruppe von Prof. Manolis Pasparakis an der Universität Köln und Christoph Becker aus der Arbeitsgruppe von Prof. Markus Neurath an der Universitätsklinik Mainz untersuchten in Epithelzellen des Darmes die Rolle eines Signalmoleküls – im Fachjargon: NF-Kappa-B -, das den Zellen hilft, mit „Stress“ umzugehen. Mit genetischen Methoden züchteten die Forscher Mäuse, deren Epithelzellen im Darm ein bestimmtes Protein – genannt NEMO – fehlt, das wichtig für die Aktivierung des Signalmoleküls NF-Kappa-B ist. Als Resultat einer fehlenden Aktivierung von NF-Kappa-B entwickelten die Mäuse eine schwere chronisch entzündliche Darmerkrankung, ähnlich der Darmentzündung beim Menschen.

„Als wir uns die Mäuse genauer anschauten, erkannten wir, dass deren Darmepithel beschädigt war“, erläutert Manolis Pasparakis, der kürzlich als Professor an die Universität Köln berufen wurde. „NF-Kappa-B ist ein Überlebenssignal für Zellen. Ohne dieses Molekül sterben Darm-Epithelzellen viel eher. Genau dies passierte im Darm unserer Mäuse: Einzelne Zellen starben, wodurch Lücken in der Epithelschicht entstanden. Durch diese Lücken konnten Bakterien in die Darmwand eindringen.“ Unterhalb der Epithelschicht befinden sich Zellen des Darm-Immunsystems, des größten Immunsystems im Körper. Es erkennt eindringende Bakterien und erzeugt eine starke Immunreaktion, um die Eindringlinge zu bekämpfen. Im Zuge der Bekämpfung der Bakterien produzieren die Zellen des Immunsystems eine Vielzahl von Stoffen, die letztendlich die Symptome der Entzündung verursachen.

„Hier schließt sich der Teufelskreis“, erklärt Markus Neurath, Professor an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. „Entzündungssignale gelangen zu den Epithelzellen, die durch das Fehlen von NF-Kappa-B sehr empfindlich darauf reagieren und sterben. Dies führt zu noch größeren Lücken in der Epithelschicht, so dass noch mehr Bakterien in die Darmwand eindringen können. Das Resultat ist eine fortschreitende Immunreaktion, die zu einer chronischen Entzündung führt, wie wir sie von Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen kennen.“

Die Erkenntnis, dass eine gestörte Aktivierung des NF-Kappa-B Signalweges im Darmepithel zur Entstehung einer Darmentzündung führen kann, resultiert in einem neuen Modell für die Entstehung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen. Die Ergebnisse der „Nature“-Publikation ebnen daher den Weg für völlig neue Therapiestrategien.

Kontakt für nähere Informationen:
Prof. Dr. Manolis Pasparakis
Institut für Genetik
Universität zu Köln
pasparakis@uni-koeln.de
Tel: 0221 470 -1526, 470 – 4595
Fax : 0221 470 -5163
Dr. rer. nat et med. habil. Christoph Becker
I. Medizinische Klinik und Poliklinik
Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Tel. 06131 39 33367, Fax 06131-3933671
Homepage: http://www.ced.uni-mainz.de
Prof. Dr. Markus F. Neurath
I. Medizinische Klinik und Poliklinik,
Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Tel. 06131 177104, Fax 06131 175508
E-Mail: neurath@1-med.klinik.uni-mainz.de
Homepage: http://www.ced.uni-mainz.de
Pressekontakt:
Presse- und Informationsstelle Universität zu Köln
Pressesprecher: Dr. Patrick Honecker
Telefon +49 221 470 2202
Fax +49 221 470 5190
pressestelle@uni-koeln.de, www.uni-koeln.de
Pressestelle Uniklinik Mainz
Dr. Renée Dillinger
Telefon 06131 17 7424
Fax 06131 17 3496
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Petra Giegerich idw

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