Zuckerrüben für die Medizin

BMBF fördert Biotechnologieprojekt an der FH Lübeck – Enzymatische Gewinnung von Pektin

Im Labor für Biotechnologie an der Fachhochschule Lübeck war der Jubel riesengroß. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat einem Forschungsantrag von Prof. Dr. Uwe Englisch zur Entwicklung einer Pilotanlage für die enzymatische Gewinnung von Pektinen mit einem Fördervolumen von ca. 600.000 Euro zugestimmt. Am Ende des dreijährigen Forschungsprojektes, gefördert aus dem BMBF-Programm „Biotechnologie 2000“, soll ein neues biotechnologisches Verfahren stehen, das den Herstellungsprozess von Pektinen umweltverträglicher und ressourcenschonender macht.

Pektine kommen zum größten Teil in der Lebensmittelindustrie zum Einsatz, wo sie u.a. als Geliermittel für Konfitüren verwendet werden. Die Entwicklung des biotechnologischen Verfahrens ermöglicht die Verwendung des Pektins auch in der Pharmazie und Medizin, z. B. bei der kontrollierten Freisetzung von Arzneiwirkstoffen im menschlichen Körper.

Im Gegensatz zur herkömmlichen Pektingewinnung mittels konzentrierter Salpetersäure liefert das neue biotechnologische Verfahren wesentlich sanftere und energiesparendere Bedingungen. Pektine gehören zu den „Nachwachsenden Rohstoffen“ und werden aus dem Pflanzengewebe bspw. von Zitronen oder Orangen herausgelöst. Für Schleswig-Holstein und seine Landwirtschaft wird es interessant, da auch Zuckerrüben den Rohstoff liefern. Er ist in den Reststoffen der Rüben, in den Schnitzeln, die nicht für die Zuckergewinnung benötigt werden, zu finden.

Heutzutage stellen die meisten chemischen Prozesse noch immer ein potentielles Umweltproblem dar. Die industriellen Verfahren basieren oft auf dem Einsatz von mineralischen Säuren oder Basen sowie organischen Lösemitteln. Diese Prozesse, unter hohen Temperaturen und unter hohem Druck durchgeführt, haben einen hohen Energieverbrauch zur Folge.
Die konventionelle Säure-Extraktion von Pektinen ist ein Beispiel für einen wenig umweltverträglichen und energieintensiven Prozess. Der Prozess der sauren Solubilisierung des Pektins ist nicht nur durch eine suboptimale Ausbeute gekennzeichnet, sondern auch durch eine große Reststoffmenge an stark nitratbelastetem Trester, für den immer weniger Abnehmer in der Landwirtschaft gefunden werden können.

Im Blickpunkt stehen deshalb auch die Nebenprodukte bzw. Reststoffe dieser Verfahren. Denn sie beinhalten meistens gesundheitsschädigende Stoffe, die in ihrer Handhabung und Entsorgung ein Problem darstellen können. Außerdem sind herkömmliche Säure / Base-Verfahren in der Regel durch eine moderate Ausbeute gekennzeichnet.

Im Zentrum des Verfahrens steht die Anwendung von Biokatalysatoren (Enzymen) für die Isolierung des Pektins aus der Pflanzenschale. Hierzu werden, bereits im Rahmen eines anderen Drittmittel-Projektes, spezifische Enzyme (Protopektinasen) im biochemischen Labor der FH Lübeck isoliert und charakterisiert.

Der Schwerpunkt des neuen Projektes soll das „scale up“ des enzymatischen Verfahrens in den Technikumsmaßstab darstellen. Weiterhin soll, basierend auf der zur Zeit durchgeführten Isolierung und Charakterisierung von Protopektinasen und Pektinesterasen, ein „Screening“ der Protopektinase-Gene sowie eine anschließende Isolierung, Klonierung und rekombinante Expression dieser Gene in Escherichia coli erfolgen.

Fernziel ist die Substitution des konventionellen Herstellungsprozesses bei deutschen Pektinherstellern. Das Projekt soll ein neuer Baustein zu einer Biotechnologie für umweltverträgliche Produkte und Verfahren in der Lebensmittel- und Arzneimittelindustrie sein und somit einen weiteren Weg zur Nachhaltigkeit in der Industrie aufzeigen. Eine Pilotanlage zur enzymatischen Gewinnung von Pektin im industriellen Maßstab wird mit Beteiligung von der BCP, Lübeck und der C.P. Kelco, Großenbrode entwickelt.

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Frank Mindt idw

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