Wie Pflanzen die Kurve kriegen

Pflanzenforscher am Kölner Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung konnten vor kurzem jenes Protein identifizieren, das den Transport eines wichtigen Pflanzenwuchsstoffes reguliert. Die Ergebnisse sind in der neuesten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature vom 15.2.2002 publiziert. Bei dem Pflanzenwuchsstoff handelt es sich um das Hormon Auxin, das die durch Licht und Schwerkraft ausgelösten Krümmungsbewegungen von Pflanzen kontrolliert. Für die Verteilung des Hormons im Gewebe sind spezielle Transportmoleküle verantwortlich. In Kooperation mit Wissenschaftlern aus Tübingen, Konstanz und Torun in Polen konnten Klaus Palme und seine Mitarbeiter nachweisen, dass sich Pflanzen nur dann krümmen, wenn Auxin in bestimmten Regionen angehäuft wird. Für diese ungleiche Verteilung des Wuchsstoffs im Gewebe sorgt das so genannte PIN3 Protein.

Licht und Schwerkraft legen die Wuchsrichtung von Pflanzen fest. Aufgrund dieser physikalischen Signale bilden und verteilen sich in der Pflanze Botenstoffe. Ein zentraler Botenstoffe ist das Pflanzenhormon Auxin. Es wird lichtabhängig zunächst in der Spitze des Pflanzenkeimlings gebildet und anschließend in die Wurzel transportiert. Auxin sorgt zum Beispiel dafür, dass sich ein junger Pflanzenspross streckt, also in die Höhe wächst. Außerdem regt es das Wurzelwachstum, die Differenzierung von Zellen und die Verzweigung des Gewebes an. Wie Auxin im Innern der Pflanze verteilt wird, haben die Wissenschaftler bisher nur ungenügend verstanden. Sie wissen aber, dass das Hormon passiv in die Zellen hinein strömt und aktiv wieder hinaus befördert wird.

Abb. 1: Vergleich eines normalen Pflanzensprösslings mit dem einer PIN3 Mutante. Im Schwerefeld, das von links wirkt, krümmt sich die Mutante nur sehr schwach“ „Foto: Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung“

Vor einigen Monaten konnte die Gruppe um Klaus Palme mehrere Komponenten eines spezielles Transportsystems aufspüren, das den gerichteten Längstransport von Auxin ermöglicht. Identifiziert wurden gleich mehrere Gene, die für die Bildung spezieller Auxin-Transporter verantwortlich sind. Diese Proteine sorgen dafür, dass der Wuchsstoff von oben nach unten im Pflanzenspross verteilt wird und sich auf diese Weise schließlich in der Wurzelspitze anreichert. Darüber hinaus gab es Hinweise, dass Auxin auch die Krümmungsbewegungen von Pflanzen kontrolliert: Blockiert man nämlich den Transport des Hormons, so können sich Pflanzensprösslinge nicht mehr zum Licht hin krümmen bzw. der Schwerkraft entgegen wachsen.

Der Nachweis, wie Auxin bzw. sein Transport für die Krümmung verantwortlich ist, gelang nun in den Labors der Max-Planck-Wissenschaftler bei Versuchen mit der Pflanze Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand). Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass Auxin in sich krümmenden Pflanzengeweben ungleich verteilt vorliegt. Außerdem konnten sie PIN3 als jenes Protein identifizieren, das den Transport des Wuchsstoffes seitlich aus den Zellen heraus kontrolliert. Untersucht wurden Pflanzen, denen das für die Bildung von PIN3 verantwortliche Gen fehlte. Im Vergleich zu normalen Keimlingen krümmt sich der Spross deutlich schlechter zum Licht bzw. die Wurzel zur Schwerkraft hin, wenn diese Reize seitlich einwirken (Abb. 1). Zudem ist die Auxin-Anreicherung bei den PIN3 Mutanten gestört – der Botenstoff bleibt gleichmäßig über das Gewebe verteilt.

Abb. 2: PIN3 Färbung in gravitationsempfindlichen Zellen aus der Wurzelspitze. Wirkt die Schwerkraft von unten, ist PIN3 gleichmäßig an den Zellrändern verteilt. Wirkt sie seitlich, verlagert sich das Protein seitlich in Richtung des Reizes. „
„Foto: Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung“

Mit Immunfluoreszenzmethoden spürten die Wissenschaftler dem PIN3 Protein im Sprossgewebe und in Zellen der Wurzelspitze nach, die Richtung und Stärke der Schwerkraft wahrnehmen. In den schwerkraftempfindlichen Zellen der Wurzelspitze ist der Auxin-Transporter, wenn die Schwerkraft normal von unten einwirkt, gleichmäßig an den Rändern verteilt. Wirkt die Schwerkraft nicht von unten, sondern seitlich ein, verlagern sich die PIN3 Proteine in Richtung des Schwerereizes (Abb. 2).

Auf das PIN3 Gen waren die Kölner Forscher durch Sequenzvergleiche mit den bereits zuvor von ihnen entdeckten Transporter-Genen gestoßen, die den Transport von Auxin aus der Zelle regulieren und als PIN Proteine bezeichnet werden. Der Name PIN (pin, engl. Nadel) leitet sich von einer speziellen Pflanze ab, bei der die Spitze nadelförmig weiter wächst, ohne dass die Pflanze Seitensprosse bildet. Ursache war auch hier die Mutation eines Gens, das für die Bildung eines Auxin-Transportproteins verantwortlich ist.

Mit den neuesten Untersuchungen zu PIN3 konnte die Gruppe um Klaus Palme eine wichtige Frage des Pflanzenwachstums beantworten. Weitere Untersuchungen zielen nun darauf ab, sowohl den molekularen Mechanismus des PIN-Protein vermittelten Auxintransports zu entschlüsseln als auch die Wirkungsweise des Auxins als „gestaltgebende“ Substanz genauer zu verstehen.

Media Contact

Dr. Bernd Wirsing Presseinformation

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neues Schweißverfahren für Windräder

… ermöglicht beschleunigte Produktion. Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) stellt auf der diesjährigen Hannover Messe ein innovatives Schweißverfahren für Windräder vor, mit dem sich die Produktionsgeschwindigkeit von Windgiganten…

Wie Blaualgen Mikroorganismen manipulieren

Forschungsteam an der Universität Freiburg entdeckt ein bisher unbekanntes Gen, das indirekt die Photosynthese fördert. Cyanobakterien werden auch Blaualgen genannt und gelten als „Pflanzen des Ozeans“, weil sie in gigantischen…

Wiederaufladbare Nanotaschenlampe

Nachleucht-Lumineszenz-Bildgebung verfolgt zellbasierte Mikroroboter in Echtzeit. Eine nachleuchtende Nanosonde eröffnet neue Perspektiven für bildgebende Verfahren in lebenden Zellen. Wie ein Forschungsteam in der Zeitschrift Angewandte Chemie berichtet, kann die neue…

Partner & Förderer